Ein Hauch von Kirschblüten
Kälte in ihre nassen Klamotten drang und sie zum Heimgehen zwang.
„Ich hoffe, ihr kommt bald
wieder“, sagte Rosalie und klang etwas weinerlich.
„Tom ist doch morgen schon wieder
hier.“
„Und du kommst zum Essen zu uns?“
„Ja, versprochen!“
Jan grinste. Tom erwiderte die
Umarmung seiner Mutter innig. Es war ein schönes Gefühl, dass sie ihn mochten
und akzeptierten.
„Ich habe dir noch was in deine
Tasche gesteckt“, hörte er seine Mutter flüstern.
Toms Gesicht strahlte wie das
eines Kindes an Weihnachten. „Schwarze Johannisbeere?“
„Die letzten zwei Gläser.“
Jan rollte mit den Augen. Das war
die reinste Affenliebe. Vielleicht sollte er einen Anflug von Eifersucht
verspüren? Er lachte in sich hinein. Selbst sein Vater gab sich rührselig und
umarmte Tom kurz, aber herzlich.
„Du kannst mit Problemen
jederzeit zu uns kommen, Junge. Ich weiß, wie anstrengend Jan ist. Lass dich
nicht unterkriegen.“
Nun wurde es Jan aber doch zu
viel. Außerdem sah er, wie Tom krampfhaft schluckte. Das alles ging ihm sehr
nahe.
„Umarmen mich meine Eltern dann
auch noch mal?“
„Es war schön, euch hier zu
haben“, schluchzte seine Mutter nun und drückte ihm einen Kuss auf die Wange.
„Ich hoffe, es dauert nicht wieder drei Monate, bis du dich blickenlässt.“
„Ich bezweifle, dass Tom es so
lange ohne euch aushält.“
Nach gefühlten tausend Küssen und
Umarmungen saßen sie endlich im Auto und fuhren nach Hamburg.
„Mann, war das anstrengend. Wir
hätten abhauen sollen, bevor sie heimkommen.“
„Ich mag deine Eltern. Sie sind
echt nett.“
„Sie verwöhnen dich zu sehr. Du
wirst noch zum Pascha.“
„Wenn du weiter lästerst,
bekommst du nichts von der Marmelade ab.“
Sie lachten. Vergessen waren der Streit
und die Ängste.
Diese letzten Tage hatten ihre
Beziehung verändert, vertieft. Jan war sich darüber im Klaren, dass sie auch
weiterhin immer mal wieder Probleme haben würden. Sie waren einerseits zu
verschieden, andererseits zu gleich, um sich nicht mehr aneinander zu reiben.
Sollten sie das eines Tages nicht mehr tun, würde er sich Gedanken machen.
Der Bruch
Tom hatte kein gutes Gefühl, als
er die Company betrat. Lag es an ihm oder hing eine bedrohliche Stille in der
Luft? Seine Schritte hallten unnatürlich laut in den Ohren, als er aus dem
Fahrstuhl trat und in Richtung seines Büros ging. Sandra sah ihm kaum in die
Augen, als er sie begrüßte.
„Sie sollen sich sofort bei Herrn
Richter melden.“ Selbst sie benutzte das Wort Vater nie.
„Bringen Sie mir bitte vorher
einen Kaffee? Ich habe noch ein paar Dinge zu erledigen.“
Tom ließ sich in den Sessel
fallen, drehte sich um, mit dem Rücken zum Schreibtisch, und genoss die
Aussicht. Vielleicht zum letzten Mal , ging es ihm durch den Kopf. Die
Geschäftsräume der Agentur lagen im zehnten Stock. Man konnte die Kräne des
Hamburger Hafens über den Dächern der Stadt sehen. Ein Anblick, der Tom jedes
Mal Fernweh suggerierte.
Täuschte er sich oder zitterten
Sandras Finger, als sie ihm den Kaffee auf den Tisch stellte und augenblicklich
das Büro wieder verließ?
Tom ignorierte die kalte Hand,
die sich um sein Herz schloss. Er durfte diese Beklemmung nicht zulassen. Der
heutige Tag war zu wichtig. Er dachte an Jan und schöpfte die nötige Kraft
daraus.
In den letzten Tagen des
vergangenen Jahres hatte er Weichen gestellt, Schritte in sein eigenes,
unabhängiges Leben gemacht. Es hatte sich letztendlich als sehr leicht
rausgestellt, Steffen Zankow für seine Idee zu gewinnen. Mittlerweile waren sie
sogar zu dritt. Das Gespräch mit Daniel Junkers hatte sich anfangs etwas
schwierig gestaltet. Tom musste schmunzeln, als er daran dachte, wie sie sich
in dem kleinen Café in der Nähe von Jans Wohnung getroffen hatten.
Seine Hände waren schweißnass,
als er das Café betrat. Schon von außen hatte er Daniel entdeckt. Tom trocknete
die Handflächen unauffällig an der Jeans, während er auf ihn zuging.
„Herr Junkers, ich freu mich,
dass Sie dem Treffen zugestimmt haben.“
„Herr Richter!“
Tom fühlte sich befangen. Es war
merkwürdig, Daniel zu sehen und ... es zu wissen. Er hatte das zwingende
Bedürfnis, sich zu offenbaren, wusste jedoch nicht wie.
Es kam ihm vor, als würden sie
beide Zeit schinden. Tom brauchte ewig, um sich durch die Getränkekarte zu
wühlen, obwohl er bereits wusste, was er nehmen würde. Seine Gedanken kreisten
um die eine Frage: Wie sage ich es
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