Ein Hauch von Kirschblüten
Und schon wieder stach Panik wie ein Dorn in sein Herz. Er will
nicht ...
Jan zwang sich die Frage
regelrecht ab. Er musste Gewissheit haben. „Du ... willst nicht wieder mit
nachhause kommen?“ Jan hasste seine weinerliche Stimme.
Jetzt stand blankes Entsetzen in
Toms Augen. „Was? Um Gottes willen, denk so was nicht. Ich möchte jetzt noch
nicht nach Hamburg zurück. Es ist erst elf Uhr, wir haben noch einen halben
Tag. Lass uns Bella holen und an den Strand gehen. Nur wir zwei.“ Tom ergriff
Jans Hand und presste die Lippen auf seine Fingerspitzen.
Jan hätte ihn gern geküsst, doch
er wusste nicht, ob Tom schon dazu bereit war. Dieser Streit hatte sie beide
tief erschüttert. Jan spürte in Tom dieselbe Unruhe, die auch ihn nicht
losließ.
„Wann küsst du mich endlich?“,
hörte er Tom flüstern, und ihn erfasste ein Glücksrausch. Wie konnte man so
viele konfuse Gefühle gleichzeitig empfinden? Zu lieben war echt anstrengend.
Ein paar Minuten später verließen
sie Hand in Hand das Atelier. Steffen sah sie skeptisch an, begann dann breit
zu grinsen. „So einen Scheiß macht ihr nicht noch mal mit mir. Ich hätte
beinahe den Glauben an das Schicksal verloren. Wenn ihr zwei eure Bestimmung
nicht erfüllt, wie soll dann ich mit dem ganzen Dreck hier klarkommen? Und nun
macht, dass ihr raus kommt. Ich will endlich meine Ruhe.“
Jan musste schmunzeln. Katja
färbte scheinbar auf alle ab.
Toms Worte überraschten ihn
allerdings.
„Ich würde dich morgen gern besuchen.“
Auch Steffen bekam große Augen.
„Wieso?“
„Mir spuken ein paar Ideen durch
den Kopf, die ich gern mit dir besprechen würde, geschäftlich.“
„Mit mir?“
„Stell dich nicht so an. Hör dir wenigstens
meine Vorschläge an. Ablehnen kannst du immer noch, solltest du es vorziehen,
dich selbst zu bemitleiden und hier zu versauern.“
Jan sog heftig die Luft ein.
Steffens Blick wurde hart. Dessen Lippen waren ein dünner Strich. Es schienen
Minuten zu vergehen, in denen die beiden sich anstarrten, einander abschätzten.
Irgendwann nickte Steffen. „Wann
bist du hier? Nicht dass ich gerade unter der Dusche stehe und du auf dumme
Gedanken kommst.“
Jan stieß geräuschvoll die Luft
aus, bemerkte erst jetzt, dass er sie angehalten hatte. Mann, Tom hatte
tatsächlich den einzig richtigen Weg eingeschlagen, um Steffen zu erreichen –
Mitleidlosigkeit. Zum ersten Mal war er froh, dass Tom Richter ein
bedenkenloses Arschloch sein konnte. Jeder andere hätte den vermeintlichen
Krüppel mit Samthandschuhen angefasst und rein gar nichts erreicht. Stolz
breitete sich in Jans Brust aus und er drückte die Hand in seiner fester.
„Wann musst du morgen zum
Dienst?“
Jan konnte mit dem breiten
Grinsen im Gesicht kaum verständlich sprechen. „Halb sechs.“
„Glaub nicht, dass du vor neun
hier auftauchen kannst. Zivilisierte Menschen schlafen aus.“
„Gut, dann bringe ich frische
Brötchen mit. Ich erwarte natürlich, dass du es bis neun Uhr schaffst, geduscht
zu haben und Kaffee zu kochen. Hast du Marmelade im Haus oder muss ich die auch
noch mitbringen?“
Steffen stand tatsächlich für
einen Moment der Mund offen. Jan brach in schallendes Gelächter aus. Das
schafften wahrlich nicht viele.
„Wo willst du hin?“, fragte Jan, als
sie Steffens Haus verließen und Tom nach rechts abbiegen wollte.
„Bella abholen.“
„Zum Hotel geht’s hier lang“,
lachte Jan. „Haffkrug ist nun wirklich nicht so groß. Langsam müsstest du den
Weg kennen.“
„Deshalb will ich ja auch nach
rechts. Bella ist bei Katja und Sören.“
„Wie kommt sie denn dahin?“
„Ich habe Katja auf den Dünen
getroffen. Sie hat mich zum Kaffee eingeladen. Die Kleine ist verdammt schlau.“
„Und hinterlistig. Pass bloß auf!
Sie hat ein Talent, dir Dinge aus der Nase zu ziehen, die du nie erzählen
wolltest.“
„Ist mir aufgefallen.“
Jan warf Tom einen irritierten
Blick zu. „Sie weiß von unserem Streit?“
„Ließ sich leider nicht
vermeiden. Sie hat mich recht unglücklich erwischt.“
„Oh Scheiße! Dann wird sie mir
auch noch den Kopf waschen. Mir haben schon die Sprüche meiner Mum gereicht.“
Tom blieb unvermittelt stehen.
„Du hast es deiner Mutter erzählt?“
„Ich hatte Schiss, dass du Bella
im Hotel ablieferst und ohne mich nach Hamburg fährst. Sie sollten auf keinen
Fall den Hund nehmen, damit du bleiben musst und ich vorher mit dir reden
kann.“
Tom konnte sich kaum das Grinsen
verkneifen.
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