Ein Hauch von Schmerz: Erotischer Roman (German Edition)
Familientherapie reizte sie viel mehr. Sie würde sich fortbilden, Seminare belegen, ihr Angebot erweitern. Großartig.
Und Ray war für sie nun kein großes Fragezeichen mehr. Sie hatte eine gute Vorstellung davon, wie er tickte. Das, was er beim Frühstück so salopp als Durchwursteln bezeichnet hatte, war eine Mischung aus Resilienz, Improvisationsgeschick und einer gehörigen Portion Unverdrossenheit. Er war der Typ, der durch Krisen aufblühte. Auch die Sache mit dem Einbruch in seinem Immobilienbüro würde ihm nur vorübergehend zu schaffen machen, dann würde er plötzlich vor Ideen sprühen.
Es gab keinen Widerspruch zwischen seinem Exhibitionismus und seiner emotionalen Verschlossenheit. Er bewältigte Krisen, indem er im Stillen vor sich hin grübelte und dann mit frischer Energie an neue Projekte ging. Ja, er brauchte Krisen, Rückschläge und Schwierigkeiten, um zur Höchstform aufzulaufen. Und genau da setzte auch seine sexuelle Lust an: Ungewöhnliche Situationen, die Gefahr, entdeckt zu werden – das waren Aphrodisiaka für ihn.
Sie aßen eine Weile schweigend, dann sagte Ray aus heiterem Himmel: »Sie war keine Rabenmutter, weißt du, sie hatte überhaupt keine Chance, meine Mutter zu sein. Sie starb vor meiner Geburt.«
April ließ die Gabel fallen, so sehr schockierte sie seine Bemerkung. » Vor deiner Geburt?«
»Ja, sie erlitt im siebten Schwangerschaftsmonat eine Gehirnblutung, fiel ins Koma und wurde kurz darauf für hirntot erklärt. Ihr Körper wurde noch einige Wochen am Leben erhalten, damit ich einen besseren Start ins Leben hatte. Wie traurig das im Grunde war, wurde mir erst bewusst, als ich so um die sechzehn, siebzehn war. Da fing ich an, wissen zu wollen, wie sie gewesen war, welche Eigenschaften ich von ihr hatte. Meine Großmutter erzählte mir, sie sei eine fröhliche, unerschrockene Frau gewesen, die es liebte, Risiken einzugehen und neue Dinge auszuprobieren. Genau das steckt auch in mir, darum lag es mir eigentlich nicht, mich von der Musik völlig vereinnahmen zu lassen. Jetzt, wo ich ein Leben lebe, wie meine Mutter es sich für mich gewünscht hätte, fehlt sie mir manchmal.«
Da er gerade so gesprächig war, offen und bereit, über Gefühle zu reden, wagte April einen Vorstoß. Es war die Chance, ihn zu fragen, was er für sie empfand und wo ihre Beziehung hinsteuerte. »Ray«, begann sie, »ich würde gerne wissen …«
Am Nachbartisch wurde es laut. April wartete, bis das temperamentvolle Pärchen sich beruhigt hatte. »Streiten die beiden?«
»Nein, im Gegenteil, sie erklären sich ihre unsterbliche Liebe. Allmählich fangen sie an, mir auf die Nerven zu gehen.« Er legte das Besteck auf dem leeren Teller nebeneinander und lehnte sich zurück. »Was wolltest du mich fragen?«
April ruderte zurück. Er war wohl doch nicht in der Stimmung, um über Liebe zu reden. Also fragte sie stattdessen: »Ich wollte wissen, was wir heute Abend vorhaben. Oder vielmehr, was du mit mir vorhast.«
»Wir werden Freunde von mir auf ihrer Yacht besuchen.«
»Hört sich gut an.« Und es klang harmlos. Einigermaßen jedenfalls. Sie hatte gelernt, dass mit Ray nichts wirklich harmlos war – außer Fliegen.
Kapitel 16
Tag drei ihres Experiments. Carly stand zwischen den beiden geöffneten Türen ihres Kleiderschranks. Da sie an den Innenseiten jeweils einen hohen Spiegel angebracht hatte, konnte sie sich von hinten sehen. Sie hatte die Nachttischlampe so ausgerichtet, dass sie direkt auf ihren Hintern leuchtete, damit sie die drei Striemen begutachten konnte. Die unterste hatte sie jeden Tag zweimal mit Heparin-Gel eingerieben, die mittlere mit Wund- und Heilsalbe, und die oberste hatte nur die normale Körperlotion bekommen.
Es machte tatsächlich einen gewaltigen Unterschied, und sie wusste, dass sie April ans Herz legen würde, sich ebenfalls Heparin-Gel zuzulegen. Das Zeug wirkte Wunder.
Zufrieden klatschte Carly sich mit beiden Händen auf die Pobacken. Dann öffnete sie die Testsieger-Tube und massierte ihren Po mit dem Gel, wobei sie diesmal alle drei Striemen großzügig bedachte.
Wenn es nach ihr gegangen wäre, hätten sie heute schon das nächste Shooting abhalten können. Für Jonas war es leichter als für sie, die Wartezeit zu überbrücken. Er studierte und jobbte im Café. Sie hingegen hatte seit über einer Woche kein Casting mehr besucht.
Beim Frühstück ließ Carly die erste Begegnung mit Jonas Revue passieren. Sie hatte ihn nett gefunden und versucht, ihn
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