Ein Hauch von Schmerz: Erotischer Roman (German Edition)
unter der Kälte am meisten gelitten hatte. »Sonst hätte ich bei dem prachtvollen Anblick für nichts garantiert.«
»Sei nur weiterhin so frech«, sagte er, »dann garantiere ich für nichts.«
Sie verstand das ganz richtig, drehte sich auf den Bauch und reckte ihm den Po entgegen. »Nur zu.«
Er war drauf und dran, ihr tatsächlich den Hintern zu versohlen, wenn sie schon so lieb darum bat – und das bereits zum zweiten Mal an diesem Morgen, doch in dem Moment fiel eine Großfamilie lautstark in die Bucht ein.
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Die Tapas schmeckten lecker. April war sicher, dass die Wellen und der Geruch nach Salzwasser zu dem wunderbaren Geschmack beitrugen. Und dann war da noch der fremde Klang der Sprache, der das Urlaubsgefühl abrundete.
Sie saßen auf der Terrasse eines Strandrestaurants, das überwiegend von Einheimischen besucht wurde. Von der Einrichtung her war es rustikal, mit uralten, dunklen Holztischen und ausgebleichten Sonnenschirmen. Aber die Bedienung war herzlich und das Essen eine Wucht. Es war Rays Stammlokal auf der Insel, wie er ihr verraten hatte.
Am Nebentisch unterhielt sich ein junges Pärchen. Ray schien ihnen zuzuhören, denn er grinste in sich hinein.
»Worüber reden die beiden?«, fragte April.
»Darüber, wie sehr sie sich lieben und wie sie es sich beweisen wollen.«
»Und das ist witzig?«
»Ja, weil sie sich dabei ständig zu übertrumpfen versuchen. Oh Gott.« Er schlug sich die Hand vor den Mund und prustete.
»Was? Sag schon.«
Er nahm die Hand weg und schüttelte lachend den Kopf. »Schwer zu übersetzen. Sinngemäß hat sie gesagt, dass sie ihm einen blasen wird, dass ihm die Ohren wegfliegen.«
April sah zu den beiden hin, die sich immer wieder über den Tisch hinweg berührten, und lächelte. Jung und verliebt – nun, das war sie auch. Sie legte ihre Finger zärtlich auf Rays Unterarm. »Wieso sprichst du so fließend Spanisch?«
»Eine meiner Nannys war Spanierin.«
»Ah, und eine andere deiner Nannys war anscheinend Eistaucherin, darum konntest du vorhin im kalten Meer schwimmen.« Sie räusperte sich. »Hoffentlich war das jetzt nicht taktlos von mir.«
»Aber nein.« Er nahm ihre Hand von seinem Unterarm und küsste sie, jeden Finger einzeln. »Eine freche Bemerkung ist mir allemal lieber als die übliche Reaktion, die ich bekomme, wenn ich meine Nannys erwähne. Du weißt sicher, was ich meine.«
Sie senkte den Blick und sagte: »Es tut mir so leid für dich, dass deine Eltern dich an Kindermädchen abgeschoben haben.«
»Genau«, bestätigte er. »Der mitfühlende Tonfall, der bedauernde Gesichtsausdruck und die unausgesprochene Unterstellung, meine Mutter sei eine Rabenmutter gewesen.« Er aß weiter, als wäre das Thema damit für ihn abgehakt.
Sie näherten sich wieder einmal seinem wunden Punkt. Inzwischen wusste sie, worum es sich handelte, denn nach dem Frühstück, als Ray einige Telefonate erledigen musste, hatte sie beschlossen, dass es besser war, wenn sie mehr über ihn erfuhr. Also hatte sie ihn gegoogelt. Nicht aus Neugierde, sondern aus Vorsicht. Sie wollte auf jeden Fall vermeiden, in irgendwelche Fettnäpfchen zu treten.
Darum wusste sie nun, dass es einen tiefen Einschnitt in seinem Leben gegeben hatte, der allerdings selbstverschuldet gewesen war. Er hatte seine Musikerlaufbahn leichtfertig aufs Spiel gesetzt – so leichtfertig, als wäre er mit seiner Zukunftsperspektive nicht wirklich glücklich gewesen, hätte aber nie eine Chance gehabt, Alternativen auszuprobieren, weil er eingebunden war in die Erwartungen seiner Familie. Ein klassisches Muster, in das Ray nicht hineinpasste. Er war eher der Typ Familienrebell, schwarzes Schaf, verlorener Sohn. Da er die Musik liebte, war er den Weg dennoch gegangen, hatte sich angepasst, sich dabei aber unbewusst selbst sabotiert. Seine Eskapaden an der Schule waren Warnschüsse gewesen, und ein guter Familientherapeut hätte damals Schlimmeres verhindern können, indem er die unausgesprochenen Konflikte ans Tageslicht geholt hätte. Dann wäre eine weniger radikale Lösung möglich gewesen, noch bevor er überhaupt auf die Musikakademie kam.
Nachdem April das Notebook heruntergefahren hatte, waren ihr viele Dinge durch den Kopf gegangen. Das meiste hatte mit Ray zu tun, aber einiges auch mit ihr selbst. Sie hatte in letzter Zeit eine gewisse Unlust verspürt, wenn sie in die Praxis gegangen war, und nun wusste sie, woran es lag. Sie wollte nicht mehr nur Fälle von Burn-out behandeln.
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