Ein Hauch von Schnee und Asche
war.
»Setzt Euch«, sagte ich und schob hastig einen Hocker hinter ihn. Seine Knie gaben nach, als er sich setzte; er landete härter, als er es beabsichtigt hatte, stieß sich die Hand und gab einen leisen Schmerzenslaut von sich.
Ich drückte mit dem Daumen auf die große Ader an seinem Handgelenk,
um die Blutung aufzuhalten, und wickelte das Tuch los. Seinem Aussehen nach rechnete ich mit ein oder zwei abgetrennten Fingern und war überrascht, nur einen simplen Schnitt ins Fleisch vorzufinden, der von der Daumenwurzel zum Handgelenk verlief. Er war allerdings so tief, dass er auseinander klaffte, und blutete stark, doch Christie hatte keine wichtigen Blutgefäße verletzt und das große Glück gehabt, die Daumensehne nur anzuritzen; das konnte ich mit ein oder zwei Stichen in Ordnung bringen.
Als ich aufblickte, um ihm das zu sagen, sah ich nur noch, wie er die Augen verdrehte.
»Hilfe!«, rief ich, ließ die Hand los und langte nach seinen Schultern, weil er nach hinten kippte.
Das Krachen einer umgestürzten Bank und das Poltern laufender Füße beantworteten meinen Ruf, und Jamie stürmte in Sekundenschnelle ins Zimmer. Als er sah, dass mich Christies Gewicht niederzudrücken drohte, packte er den Mann am Hemdkragen, schob ihn auf dem Hocker nach vorn wie eine Stoffpuppe und drückte ihm den Kopf zwischen die Beine.
»Geht es ihm so schlecht?«, fragte Jamie und richtete die Augen blinzelnd auf Christies verletzte Hand, die nun neben ihm über dem Boden schlenkerte und weiterblutete. »Soll ich ihn auf den Tisch legen?«
»Ich glaube nicht.« Ich hatte Christie meine Hand unter das Kinn geschoben und tastete nach seinem Puls. »Seine Verletzung ist nicht schlimm; er ist nur ohnmächtig geworden. Da, siehst du, er kommt schon wieder zu sich. Lasst Euren Kopf noch einen Moment unten; gleich geht es Euch wieder besser.« Letztere Bemerkung war an Christie gerichtet, der wie eine Dampfmaschine atmete, sich aber ein wenig gefangen hatte.
Jamie entfernte seine Hand von Christies Hals und wischte sie mit leicht angewiderter Miene an seinem Kilt ab. Christie war der kalte Schweiß ausgebrochen; ich konnte ihn auch an meiner Hand kleben spüren, hob aber das zu Boden gefallene Tuch auf und wischte mir taktvoll die Hand daran ab.
»Möchtet Ihr Euch hinlegen?« fragte ich und beugte mich über Christie, um ihm ins Gesicht zu sehen. Es hatte zwar noch eine schauderhafte Farbe, doch er schüttelte den Kopf.
»Nein, Mistress. Es geht mir gut. Mir ist nur eine Sekunde schlecht geworden.« Seine Stimme war heiser, aber einigermaßen kräftig, so dass ich mich damit zufrieden gab, das Tuch fest auf die Wunde zu pressen, um den Blutfluss zu stoppen.
Jemmy drückte sich in der Tür herum; er hatte große Augen, sah aber nicht sonderlich erschrocken aus; Blut war für ihn nichts Neues.
»Soll ich Euch einen Schluck Whisky holen, Tom?«, sagte Jamie, der den Patienten argwöhnisch betrachtete. »Ich weiß ja, dass Ihr nichts von Hochprozentigem haltet, aber es gibt doch sicherlich auch dafür den richtigen Zeitpunkt, oder?«
Christies Mund arbeitete ein wenig, doch er schüttelte den Kopf.
»Ich … nein. Vielleicht… etwas Wein?«
» Brauche ein wenig Wein um deines Magens willen , wie? Aye, schön. Nur Mut, Mann, ich hole ihn.« Jamie klopfte ihm ermutigend auf die Schulter und ging ohne Zögern davon. Im Hinausgehen nahm er Jemmy bei der Hand.
Christies Mund verkrampfte sich zu einer Grimasse. Mir war schon öfter aufgefallen, dass er – genauso wie manch andere Protestanten – die Bibel als ein Dokument ansah, das sich an ihn persönlich richtete und seiner persönlichen Sorge zur weisen Verbreitung unter den Massen anvertraut war. Dementsprechend war es ihm zuwider, wenn er hörte, wie ein Katholik – in diesem Fall Jamie – sie beiläufig zitierte. Mir war ebenfalls aufgefallen, dass sich Jamie dessen bewusst war und er jede Gelegenheit zu derartigen Zitaten nutzte.
»Was ist passiert?«, fragte ich ebenso sehr, um Christie abzulenken, wie, weil ich es wissen wollte.
Christie riss seinen finsteren Blick von der leeren Tür los und richtete ihn auf seine linke Hand – dann wandte er ihn hastig wieder ab und erbleichte erneut.
»Ein Unfall«, sagte er schroff. »Ich habe Binsen geschnitten; das Messer ist mir abgerutscht.« Seine linke Hand krümmte sich schwach, als er das sagte, und ich sah sie mir genauer an.
»Das ist allerdings kein Wunder!«, sagte ich. »Hier, haltet sie hoch.« Ich hob die
Weitere Kostenlose Bücher