Ein Hauch von Schnee und Asche
einzulassen, den das Farmerdasein in den Highlands mit sich brachte.
Mir wurde bewusst, dass Jamie nach wie vor im Schatten stand, an seinem Wein nippte und mit schwach ironischer Gleichgültigkeit zusah. Ich blickte rasch zu ihm auf; er verzog keine Miene, doch er erwiderte meinen Blick und nickte kaum merklich.
Tom Christie hatte seine Lippe zwischen die Zähne geklemmt; ich konnte das leise Pfeifen seines Atems hören. Er konnte Jamie nicht sehen, wusste aber, dass er da war; seine steife Rückenhaltung verriet es. Möglich, dass er Angst hatte, Tom Christie, doch ganz ohne Mut war er nicht.
Es hätte ihn weniger geschmerzt, hätte er seine verkrampften Arm- und Handmuskeln entspannen können. Unter den gegebenen Umständen konnte ich ihm das jedoch kaum vorschlagen. Ich hätte darauf bestehen können, dass Jamie ging, doch ich war jetzt fast fertig. Mit einem Seufzer, in dem sich Frustration und Verwunderung vermischten, schnitt ich die Enden des letzten Knotens ab und legte die Schere hin.
»Also gut«, sagte ich. Ich verteilte den Rest der Sonnenhutsalbe auf der Wunde und griff nach einem sauberen Leinenverband. »Haltet es sauber. Ich werde Euch frische Salbe zubereiten; Malva soll sie holen. Dann kommt in einer Woche wieder, und ich ziehe die Fäden.« Ich zögerte mit einem Blick auf Jamie. Es widerstrebte mir, seine Gegenwart als Erpressungsmittel zu benutzen, doch es war nur zu Christies Vorteil.
»Dann kümmere ich mich auch um Eure rechte Hand, ja?«, sagte ich mit fester Stimme.
Er schwitzte immer noch, obwohl sein Gesicht langsam wieder Farbe bekam. Er richtete den Blick auf mich, dann, unwillkürlich, auf Jamie.
Jamie lächelte schwach.
»Geht nur, Tom«, sagte er. »Es ist nichts, worum Ihr Euch sorgen müsstet. Nur ein kleiner Kratzer. Ich habe schon Schlimmeres erlebt.«
Sein Tonfall war beiläufig, doch die Worte hätten genauso gut in flammenden, dreißig Zentimeter hohen Buchstaben geschrieben gewesen sein können. Ich habe schon Schlimmeres erlebt.
Jamies Gesicht lag zwar im Schatten, doch seine Augen waren deutlich zu sehen, schräg gezogen von seinem Lächeln.
Tom Christie hatte auch jetzt keine entspanntere Haltung angenommen. Er erwiderte Jamies durchdringenden Blick und umschloss seine verbundene Hand mit der verkrümmten Rechten.
»Aye«, sagte er. »Nun denn.« Er atmete tief durch. »Dann gehe ich.« Er erhob sich abrupt, stieß den Hocker beiseite und hielt auf die Tür zu. Er hatte leichte Gleichgewichtsstörungen wie ein Mann, der zu viel getrunken hat.
An der Tür blieb er stehen und tastete nach der Klinke. Als er sie gefunden hatte, richtete er sich auf, drehte sich um und sah sich nach Jamie um.
»Wenigstens«, sagte er und atmete so heftig, dass er über die Worte stolperte, »wenigstens wird es eine ehrenvolle Narbe sein. Nicht wahr, Mac Dubh ?«
Jamie richtete sich abrupt auf, doch Christie war bereits draußen und stampfte so schweren Schrittes durch den Flur, dass die Zinnteller auf dem Küchenbord klapperten.
»Oh, du kleiner Tunichtgut!«, sagte er in einem Tonfall irgendwo zwischen Ärger und Erstaunen. Seine linke Hand ballte sich unwillkürlich zur Faust, und ich hielt es für eine gute Sache, dass Christie einen so raschen Abgang gemacht hatte.
Ich war mir alles andere als sicher, was genau eigentlich passiert war – aber erleichtert, dass Christie fort war. Ich kam mir vor wie eine Hand voll Getreide, eingeklemmt zwischen zwei Mühlsteinen, die beide versuchten, sich aneinander zu schleifen, ohne das ahnungslose Korn in ihrer Mitte zu beachten.
»Ich habe noch nie gehört, dass dich Tom Christie Mac Dubh genannt
hat«, merkte ich vorsichtig an und wandte mich ab, um meine chirurgischen Hinterlassenschaften aufzuräumen. Christie sprach natürlich kein Gälisch, doch ich hatte bis jetzt nicht einmal gehört, dass er den gälischen Spitznamen benutzte, mit dem die anderen Männer aus Ardsmuir Jamie immer noch riefen. Christie nannte Jamie stets »Mr. Fraser« oder einfach nur »Fraser«, wenn er eine freundschaftliche Anwandlung hatte.
Jamie stieß einen verächtlichen schottischen Laut aus, dann ergriff er Christies halb vollen Becher und trank ihn – stets sparsam – leer.
»Nein, das würde er nie tun – vermaledeiter Sassenach.« Dann fiel sein Blick auf mein Gesicht, und er lächelte mich schief an. »Du warst nicht gemeint, Sassenach.«
Ich wusste, dass er nicht mich meinte; er hatte das Wort in einem völlig anderen – hochgradig
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