Ein Hauch von Schnee und Asche
Fellen beladen waren, und dass mehrere der anderen Pferde voll bepackte Satteltaschen trugen. »Wir haben das Feuer gerochen und wollten nachsehen.« Er senkte den Blick auf die Gräber. »Tige O’Brian, nicht wahr?«
Jamie nickte.
»Kanntet Ihr sie?«
Richard Brown zuckte mit den Schultern.
»Aye. Es liegt am Weg nach Owenawisgu. Ich habe ein paar Mal hier Halt gemacht und mit ihnen zusammen gegessen.« Erst jetzt zog er seinen Hut und klebte sich mit der flachen Hand die Haarsträhnen auf den kahlen Schädel. »Gott sei mit ihnen.«
»Wer hat ihnen denn das Dach über dem Kopf angesteckt, wenn Ihr es nicht wart?«, rief einer der jüngeren Männer aus der Gruppe. Der Mann, seinen schmalen Schultern und seinem breiten Kinn nach ein Mitglied der Familie Brown, grinste völlig unpassend, weil er offensichtlich glaubte, einen Witz gemacht zu haben.
Das angesengte Papierstück kam mit dem Wind geflogen; es flatterte zu Rogers Füßen gegen einen Stein. Er hob es auf, trat einen Schritt vor und klatschte es Lionel Brown vor den Sattel.
»Sagt Euch das etwas?«, fragte er. »Es war an O’Brians Leiche geheftet.« Er klang aufgebracht und war sich dessen bewusst, doch es kümmerte ihn nicht. Sein Hals schmerzte, und seine Stimme kam als ersticktes Rasseln heraus.
Lionel Brown betrachtete das Blatt mit hochgezogenen Augenbrauen, dann reichte er es seinem Bruder.
»Nein. Das habt Ihr doch selbst geschrieben, oder?«
»Was?« Er starrte zu dem Mann hinauf, und der Wind zwang ihn zu blinzeln.
»Indianer«, sagte Lionel Brown und deutete auf das Haus. »Das waren Indianer.«
»Oh, aye?« Roger konnte die Untertöne in Jamies Stimme hören – Zweifel, Argwohn und Wut. »Was für Indianer? Die, denen Ihr die Felle abgekauft habt? Sie haben es Euch bestimmt erzählt, oder?«
»Sei kein Dummkopf, Nelly.« Richard Brown sprach mit leiser Stimme, doch sein Bruder zuckte bei ihrem Klang zusammen. Brown trieb sein Pferd näher heran. Jamie wich nicht von der Stelle, doch Roger sah, wie er das Brett fester umfasste.
»Haben sie die ganze Familie erwischt?«, fragte er und warf einen Blick auf die Kinderleiche unter dem Umhang.
»Nein«, sagte Jamie. »Die beiden größeren Kinder haben wir nicht gefunden. Nur das kleine Mädchen.«
»Indianer«, wiederholte Lionel Brown stur hinter seinem Bruder. »Sie haben sie mitgenommen.«
Jamie holte tief Luft und hustete vom Rauch.
»Aye«, sagte er. »Dann werde ich mich in den Dörfern umhören.«
»Ihr werdet sie nicht finden«, prophezeite Richard Brown. Er zerknüllte den Zettel, indem er plötzlich eine Faust machte. »Wenn Indianer sie mitgenommen haben, werden sie sie nicht in der Nähe behalten. Sie werden sie weiterverkaufen, nach Kentucky.«
Unter den Männern ertönte zustimmendes Gemurmel, und Roger spürte, wie der Funke, der schon den ganzen Nachmittag in seiner Brust glomm, explodierte.
»Das hat kein Indianer geschrieben«, fuhr er Brown an und wies mit dem Daumen auf dessen Hand. »Und wenn es Rache an O’Brian war, weil er ein Regulator war, dann hätte derjenige die Kinder nicht mitgenommen.«
Brown kniff die Augen zusammen und fixierte ihn lange. Roger spürte, wie Jamie zur Vorbereitung leicht sein Gewicht verlagerte.
»Nein«, sagte Brown leise. »Das hätte er nicht. Deswegen ist Nelly ja auf die Idee gekommen, dass Ihr es selbst geschrieben habt. Sagen wir, Indianer waren hier und haben die Kleinen entführt, aber dann kommt Ihr daher und beschließt mitzunehmen, was noch übrig ist. Also habt Ihr die Hütte angezündet, O’Brian und seine Frau gehängt, ihnen den Zettel angeheftet, und fertig. Was sagt Ihr zu dieser Überlegung, Mr. MacKenzie?«
»Ich würde fragen, woher Ihr wisst, dass sie gehängt wurden, Mr. Brown.«
Browns Gesicht verkrampfte sich, und erst als er Jamies warnende Hand auf seinem Arm spürte, merkte er, dass er die Hände zu Fäusten geballt hatte.
»Die Stricke, a charaid «, sagte Jamie, und seine Stimme war sehr ruhig. Die Worte drangen dumpf zu ihm durch, und er sah sich um. Es stimmte, die Stricke, die sie von den Toten abgeschnitten hatten, lagen neben dem Baum auf dem Boden. Jamie sprach immer noch, seine Stimme war immer noch ruhig, doch Roger konnte die Worte nicht hören. Der Wind betäubte ihn, und in seinem Heulen hörte er das unregelmäßige, leise Schlagen eines Herzens. Möglich, dass es seins war – oder das ihre.
»Herunter von dem Pferd«, sagte er, oder er dachte es zumindest. Der Wind wehte ihm
Weitere Kostenlose Bücher