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Ein Hauch von Schnee und Asche

Ein Hauch von Schnee und Asche

Titel: Ein Hauch von Schnee und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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dem Ruß ins Gesicht, und die Worte blieben ihm im Hals
stecken. Sein ganzer Mund schmeckte nach saurer Asche; er hustete und spuckte, und seine Augen tränten.
    Er wurde sich vage bewusst, dass sein Arm schmerzte, und die Welt war nicht länger verschwommen. Die jungen Männer starrten ihn an, ihre Mienen reichten von hämischem Grinsen bis zum blanken Argwohn. Richard Brown und sein Bruder vermieden es geflissentlich, ihn anzusehen, und richteten ihre Blicke stattdessen auf Jamie – der nach wie vor seinen Arm festhielt.
    Mühsam schüttelte er Jamies Hand ab und nickte seinem Schwiegervater kaum merklich zu, um ihm zu versichern, dass er nicht Amok laufen würde – obwohl sein Herz wild hämmerte und er die Schlinge so fest um seinen Hals spürte, dass er nichts hätte sagen können, selbst wenn ihm etwas eingefallen wäre.
    »Wir helfen Euch.« Brown wies mit dem Kinn auf die Kinderleiche auf dem Boden und machte sich daran, ein Bein über den Sattel zu schwingen, aber Jamie gebot ihm mit einer kleinen Geste Einhalt.
    »Nein, wir kommen schon zurecht.«
    Brown erstarrte in seiner peinlichen Position, halb im Sattel, halb im Steigbügel. Seine Lippen wurden schmal, und er zog sich wieder in den Sattel, wendete das Pferd und ritt ohne ein Wort des Abschieds davon. Die anderen folgten ihm und sahen sich im Davonreiten neugierig um.
    »Sie waren es nicht.« Jamie hatte nach seinem Gewehr gegriffen und richtete den Blick auf den Wald, in dem der letzte der Männer jetzt verschwunden war. »Aber sie wissen mehr darüber, als sie sagen.«
    Roger nickte wortlos. Er ging zielstrebig auf den Galgenbaum zu, trat die Stricke beiseite und rammte seine Faust in den Stamm, zweimal, dreimal. Stand keuchend da, die Stirn gegen die raue Rinde gepresst. Der Schmerz seiner wunden Fingerknöchel half ein wenig.
    Eine Kolonne winziger Ameisen hastete in Reih und Glied zwischen den Rindenplatten aufwärts, einer wichtigen Mission entgegen, die ihre ganze Aufmerksamkeit in Anspruch nahm. Er beobachtete sie ein Weilchen, bis er wieder schlucken konnte. Dann richtete er sich auf und machte sich daran, das Kind zu beerdigen. Er rieb sich die Druckstelle an seinem Arm, die bis auf den Knochen ging.

VIERTER TEIL
    ENTFÜHRT

26
    Die Zukunft im Blick
    9. Oktober 1773
     
    Roger ließ seine Satteltaschen am Rand der Grube auf den Boden fallen und spähte hinein.
    »Wo ist Jem?«, sagte er.
    Seine schlammverschmierte Frau sah zu ihm auf und schob sich eine schweißverklebte Haarlocke aus dem Gesicht.
    »Oh, hallo«, sagte sie. »Hattet Ihr eine gute Reise?«
    »Nein«, sagte er. »Wo ist Jem?«
    Jetzt zog sie die Augenbrauen hoch und stieß die Schaufel in den Boden der Grube. Dann streckte sie die Hand aus, damit er ihr beim Hinausklettern half.
    »Er ist bei Marsali. Er und Germain spielen Brumm mit den kleinen Autos, die du ihnen gemacht hast – zumindest taten sie das, als ich gegangen bin.«
    Der nervöse Knoten, den er während der vergangenen zwei Wochen unter seinen Rippen mit sich herumgetragen hatte, begann sich langsam zu lösen. Er nickte, weil ihn ein plötzlicher Krampf in seiner Kehle am Sprechen hinderte, dann streckte er die Hand aus, zog sie an sich und presste sie trotz ihres verblüfften Aufschreis und ihrer schmutzigen Kleider an sich.
    Er hielt sie fest; sein Herz hämmerte laut in seinen Ohren, und er konnte sie einfach nicht mehr loslassen, bis sie sich seiner Umarmung entwand. Sie ließ die Hände auf seinen Schultern liegen, legte aber den Kopf schief und zog eine Augenbraue hoch.
    »Ja, du hast mir auch gefehlt«, sagte sie. »Was ist? Was ist passiert?«
    »Fürchterliche Dinge.« Der Brand, der Tod des kleinen Mädchens – es war ihm unterwegs mehr und mehr wie ein Traum vorgekommen, der Schrecken gedämpft durch die monotone Anstrengung des Reitens, des Schreitens, im unablässigen Heulen des Windes, dem Knirschen ihrer Schuhe auf Kies, Sand, Nadeln, Schlamm, in der Umarmung aus verschwommenen Grün- und Gelbtönen, in der sie sich unter einem endlosen Himmel verloren.

    Doch jetzt war er daheim, trieb nicht länger in der Wildnis dahin. Und die Erinnerung an das Mädchen, das sein Herz in seine Hände gegeben hatte, war plötzlich wieder so real wie in der Sekunde ihres Todes.
    »Komm sofort ins Haus.« Brianna betrachtete ihn sorgenvoll aus der Nähe. »Du brauchst etwas Heißes, Roger.«
    »Mir fehlt nichts«, sagte er, folgte ihr aber ohne Einwände.
    Er setzte sich an den Tisch, während sie Teewasser

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