Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Hauch von Schnee und Asche

Ein Hauch von Schnee und Asche

Titel: Ein Hauch von Schnee und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
Vom Netzwerk:
Blick zu, als fragte sie sich, ob sie weiterreden sollte.
    »Und?«, sagte er pflichtbewusst. Der Tee tat seine Wirkung; der Schmerz in seinem Hals war fast fort.
    Sie senkte den Blick auf den Tisch und malte mit dem Zeigefinger unsichtbare Muster auf das Eichenholz.
    »Sie hat nichts davon gesagt… aber ich glaube, dass er sie schlägt.«
    Roger spürte eine plötzliche Schwere auf seinem Herzen. Seine erste Reaktion war, diese Vorstellung rundweg von sich zu weisen – doch als er noch beim Reverend wohnte, hatte er zu viel gesehen. Zu viele Familien, die nach außen hin zufrieden und respektabel lebten, während sich die Frauen über ihre eigene »Trampeligkeit« lustig machten und jede Sorge über blaue Augen, gebrochene Nasen oder ausgerenkte Handgelenke als unbegründet abtaten. Zu viele Männer, die unter dem Druck, eine Familie versorgen zu müssen, zur Flasche griffen.
    »Verdammt«, sagte er und fühlte sich auf einmal zutiefst erschöpft. Er rieb sich die Stirn, unter der sich Kopfschmerzen meldeten.
    »Wie kommst du darauf?«, fragte er unverblümt. »Hat sie irgendwelche Verletzungen?«
    Brianna nickte unglücklich. Sie blickte immer noch nicht auf, auch wenn ihr Finger jetzt zur Ruhe gekommen war.
    »Am Arm.« Sie schlang zur Demonstration die Hand um ihren Unterarm. »Kleine runde blaue Flecken, wie Fingerabdrücke. Ich habe sie gesehen, als sie nach oben gelangt hat, um einen Eimer Honigwaben vom Wagen zu heben und ihr Ärmel verrutscht ist.«
    Er nickte und wünschte, in seiner Tasse wäre etwas Stärkeres als Tee.
    »Meinst du, ich soll mit ihm reden?«

    Bei diesen Worten sah sie zu ihm auf, und ihr Blick wurde sanfter, auch wenn der Ausdruck der Sorge blieb.
    »Weißt du, dieses Angebot würden die meisten anderen Männer nicht machen.«
    »Na ja, ich kann mir spaßigere Dinge vorstellen«, räumte er ein. »Aber man kann so etwas ja nicht einfach so weitergehen lassen und hoffen, dass es sich von selbst erledigt. Irgendjemand muss etwas sagen.«
    Wusste der Himmel, was – oder wie. Während er versuchte, sich zu überlegen, was er sagen konnte , bereute er sein Angebot bereits. »Hallo, Fergus, alter Knabe. Ich höre, du verprügelst deine Frau. Sei so gut und hör auf damit, okay?«
    Er trank seinen Becher leer und stand auf, um den Whisky zu suchen.
    »Wir haben nichts mehr«, sagte Brianna, als sie merkte, was er vorhatte. »Mr. Wemyss ist erkältet.«
    Er stellte die leere Flasche seufzend hin. Sie berührte sanft seinen Arm.
    »Wir sind oben zum Abendessen eingeladen. Wir könnten ja etwas eher gehen.« Das war ein Vorschlag, der seine Lebensgeister wieder weckte. Jamie bewahrte stets eine Flasche exzellenten Single Malt irgendwo im Haus auf.
    »Aye, gut.« Er nahm ihren Umhang vom Haken und legte ihn schwungvoll um ihre Schultern. »Hey. Meinst du, ich sollte die Sache mit Fergus gegenüber deinem Pa erwähnen? Oder es besser selbst regeln?« Er hegte eine spontane, nicht besonders würdevolle Hoffnung, dass Jamie es als seine Sache betrachten und sich selbst darum kümmern würde.
    Genau davor schien Brianna Angst zu haben; sie schüttelte den Kopf und lockerte damit gleichzeitig ihr halb getrocknetes Haar auf.
    »Nein! Ich glaube, Pa würde ihm den Hals brechen. Und wenn er tot ist, wird Fergus Marsali noch weniger nützen.«
    »Mmpfm.« Er fügte sich in das Unausweichliche und hielt ihr die Tür auf. Das große weiße Haus leuchtete über ihnen auf dem Hügel, und im Licht des Nachmittags strahlte es Ruhe aus; die große Rotfichte ragte als gütige Präsenz dahinter auf; nicht zum ersten Mal hatte er das Gefühl, dass der Baum irgendwie Wache über dem Haus stand – und in seinem derzeitigen zerbrechlichen Gemütszustand fand er diese Vorstellung tröstlich.
    Sie machten einen kurzen Umweg, damit er die frische Grube angemessen bewundern konnte und sich die Funktionsweise eines Murmeltierbrennofens erklären lassen konnte. Es gelang ihm nicht, diese im Detail zu verstehen, er begriff aber zumindest, dass es darum ging, in seinem Inneren große Hitze zu erzeugen – und er fand den Fluss ihrer Erklärungen beruhigend.
    »…Ziegel für den Schornstein«, sagte sie gerade und wies zum anderen Ende der zweieinhalb Meter tiefen Grube, die momentan größte Ähnlichkeit mit dem Ruheplatz für einen extrem großen Sarg hatte. Doch bis jetzt
hatte sie ihre Sache sehr ordentlich gemacht; die Ecken waren rechtwinklig, wie mit Hilfe eines Werkzeugs hergestellt, und die Wände wiesen nicht die

Weitere Kostenlose Bücher