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Ein Hauch von Schnee und Asche

Ein Hauch von Schnee und Asche

Titel: Ein Hauch von Schnee und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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ein Blitz durch meine Nervenbahnen; der Drang, meine Hand von der Klinge wegzureißen, war so stark, dass sich meine Armmuskeln verkrampften.
    Ich konnte lebhaft den Stumpf spüren, aus dem das Blut spritzte, den Schock der brechenden Knochen, der zerrissenen Haut, den Schrecken des unwiderruflichen Verlustes.
    Doch hinter Hodgepile hatte sich Tebbe erhoben. Sein seltsam starrender, fleckiger Blick hatte mich mit einem Ausdruck faszinierter Angst fixiert. Ich sah, wie sich seine Hand zur Faust schloss, wie sich seine Kehle bewegte, als er schluckte, und ich spürte, wie sich meine eigene Kehle wieder anfeuchtete. Wenn ich seinen Schutz behalten wollte, musste ich seinen Glauben erhalten.

    Ich sah Hodgepile direkt in die Augen und zwang mich, mich zu ihm hinüberzubeugen. Meine Haut prickelte und zuckte, und das Blut in meinen Ohren rauschte lauter als der Katarakt – doch ich öffnete weit die Augen. Hexenaugen – sagten zumindest manche.
    Ganz, ganz langsam hob ich meine freie Hand, an der Browns Blut noch feucht war. Ich streckte die blutigen Finger nach Hodgepiles Gesicht aus.
    »Ich weiß es noch«, sagte ich, meine Stimme ein heiseres Flüstern. »Wisst Ihr noch, was ich gesagt habe?«
    Er hätte es getan. Ich sah den Entschluss in seinen Augen aufblitzen, doch bevor er mit der Klinge zudrücken konnte, sprang der junge Indianer mit den buschigen Haaren vor und griff mit einem Schreckensschrei nach seinem Arm. Aus seiner Konzentration gerissen ließ Hodgepile los, und ich befreite mich.
    Im selben Augenblick traten Tebbe und zwei weitere Männer vor, die Hände auf ihren Messern und Pistolengriffen.
    Hodgepiles schmales Gesicht war vor Wut verzerrt, doch der Moment drohender Gewalt war verstrichen. Er ließ sein Messer sinken, und die Bedrohung schwand.
    Ich öffnete den Mund, um etwas zu sagen, das die Lage weiter entschärfen sollte, doch Browns Neffe kam mir mit einem panischen Schrei zuvor.
    »Sie darf nichts sagen! Sie wird uns alle verfluchen!«
    »Oh, Teufel noch mal«, sagte Hodgepile, dessen Wut jetzt in simplen Ärger übergegangen war.
    Ich hatte einige Taschentücher von den Männern gesammelt, um Browns Schiene festzubinden, Hodgepile bückte sich und schnappte sich eines davon, knüllte es zu einer Kugel zusammen und trat vor.
    »Mund auf«, sagte er kurz angebunden, packte mit einer Hand mein Kinn, zwang mich, den Mund zu öffnen und stopfte den Stoffball hinein. Er funkelte Tebbe an, der sich ruckartig auf ihn zubewegte.
    »Ich werde sie nicht umbringen. Aber sie sagt kein Wort mehr. Nicht zu ihm -« Er nickte in Browns Richtung, dann in Tebbes. »Nicht zu dir. Und nicht zu mir.« Er richtete den Blick wieder auf mich, und zu meiner Überraschung sah ich Beklommenheit in seinen Augen lauern. »Zu niemandem.«
    Tebbes Miene war unentschlossen, doch Hodgepile band mir schon sein Halstuch um den Kopf, und ich war geknebelt.
    »Nicht ein Wort«, wiederholte Hodgepile und sah sich funkelnd unter seinen Männern um. »Und jetzt los.«
    Wir überquerten den Fluss. Lionel Brown überlebte zu meiner Überraschung, doch das Ganze zog sich sehr in die Länge, und die Sonne stand schon tief, als wir zwei Meilen hinter der Klamm am anderen Ufer unser Lager aufschlugen.

    Alle waren durchnässt, und es wurde ohne weitere Diskussionen Feuer gemacht. Die Untertöne der Zwietracht und des Misstrauens waren zwar noch spürbar, doch der Fluss und die Erschöpfung hatten sie gedämpft. Alle waren zu müde für weitere Auseinandersetzungen.
    Sie hatten mir die Hände lose zusammengebunden, meine Füße aber ungefesselt gelassen; ich hielt auf einen umgestürzten Baumstamm neben dem Feuer zu und ließ mich restlos ausgelaugt zu Boden sinken. Ich war feucht, mir war kalt, und meine Muskeln zitterten vor Erschöpfung – nach der Flussüberquerung hatte ich laufen müssen -, und zum ersten Mal begann ich mich zu fragen, ob mich Jamie wirklich finden würde. Jemals. Um Marsali versuchte ich mir keine Gedanken mehr zu machen. Entweder hatte man sie in der Zwischenzeit gefunden – oder nicht. Auf alle Fälle hatte sich ihr Schicksal in der Zwischenzeit entschieden.
    Vielleicht war Jamie ja der falschen Banditengruppe gefolgt. Vielleicht hatte er sie gefunden und angegriffen – und war im Kampf verwundet oder getötet worden. Ich hatte die Augen geschlossen, öffnete sie aber wieder, um die Bilder zu verdrängen, die dieser Gedanke heraufbeschwor.
    Immerhin brannte das Feuer; durchgefroren, durchnässt und begierig

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