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Ein Hauch von Schnee und Asche

Ein Hauch von Schnee und Asche

Titel: Ein Hauch von Schnee und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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mich zufällig in einem, äh, Etablissement in Edenton…«
    »Ein Bordell?«, warf ich ein. »Ah, verstehe. Fahrt fort, Major.«
    Das tat er mit großer Eile, und sein Gesicht lief unter seiner Perücke dunkelrot an.
    »Äh… genauso ist es. Nun, seht Ihr, es war eine der, äh, Damen dort. Sie hat erzählt, sie sei von Gesetzlosen entführt worden, die eines Tages ohne Warnung ihr Zuhause überfallen hätten. Sie hätte nur mit ihrer alten Großmutter zusammengelebt, und sie sagt, die Männer hätten die Alte umgebracht und das Haus über ihr angezündet.«
    »Und wer, sagt sie, soll das getan haben?« Jamie hatte seinen Hocker zum Kamin gedreht und schmolz in einem Gießtiegel Bleireste für die Kugelform.
    »Ah, mmpfm.« MacDonald wurde noch röter, und der Rauch quoll in solchen Massen aus seiner Pfeife auf, dass ich seine Gesichtszüge in den Kringelwolken kaum noch erkennen konnte.
    Unter heftigem Husten und zahlreichen Ausflüchten kam schließlich heraus, dass der Major dem Mädchen damals eigentlich nicht geglaubt hatte
– oder zu sehr daran interessiert gewesen war, sich an ihren Vorzügen zu weiden, um ihr große Aufmerksamkeit zu schenken. Er hatte die Geschichte einfach für eines jener Märchen gehalten, die Huren oft erzählten, um Mitleid zu erwecken und den einen oder anderen Genever spendiert zu bekommen, daher hatte er sich nicht die Mühe gemacht, nach weiteren Details zu fragen.
    »Aber als ich später durch Zufall von den anderen Bränden erfuhr… nun ja, seht Ihr, ich habe das Glück gehabt, vom Gouverneur damit beauftragt zu werden, sozusagen ein Ohr am Boden zu haben und im Hinterland auf Anzeichen von Unruhen zu achten. Und allmählich dachte ich, dass dieser spezielle Fall von ›Unruhe‹ vielleicht weniger zufällig war, als es zunächst den Anschein hatte.«
    Bei diesen Worten wechselte ich einen Blick mit Jamie. In seinem lag Belustigung, in meinem Resignation. Er hatte mit mir gewettet, dass MacDonald – ein auf halbe Bezahlung gesetzter Kavallerieoffizier, der davon lebte, dass er gegen Geld seine Dienste anbot – nicht nur Gouverneur Tryons Abdankung überleben würde, sondern es ihm auch gelingen würde, sich prompt eine Anstellung bei der neuen Verwaltung zu erschleichen, jetzt da Tryon abgereist war, um den bedeutenderen Posten des Gouverneurs von New York zu beziehen. »Er ist ein Glücksritter, unser Donald« , hatte er gesagt.
    Der militante Geruch heißen Bleis begann, den Raum zu durchziehen; im Wettstreit mit dem Pfeifenrauch des Majors überwältigte er die angenehm heimelige Atmosphäre aus aufgehendem Brot, Kochgerüchen, getrockneten Kräutern, Putzbinsen und Seife, die normalerweise die Küche erfüllte.
    Blei schmilzt ganz plötzlich; in einer Sekunde liegen eine deformierte Kugel oder ein verbogener Knopf vollständig und deutlich erkennbar in der Pfanne; in der nächsten sind sie fort, und eine winzige, dumpf schimmernde Metallpfütze ist an ihre Stelle getreten. Jamie goss das geschmolzene Blei vorsichtig in die Form.
    »Warum Indianer?«
    »Ah. Nun, das war es, was die Hure in Edenton gesagt hat. Sie meinte, ein paar der Männer, die ihr Haus abgebrannt und sie entführt hätten, wären Indianer. Aber wie gesagt, damals habe ich ihrer Geschichte wenig Beachtung geschenkt.«
    Jamie machte ein schottisches Geräusch, um anzudeuten, dass er verstand, wenn auch nicht ohne Skepsis.
    »Und wann seid Ihr diesem Mädchen begegnet, Donald, und habt ihre Geschichte gehört?«
    »Um Weihnachten herum.« Der Major stocherte mit seinem verfärbten Zeigefinger im Kopf seiner Pfeife herum, ohne aufzublicken. »Ihr meint, wann ist ihr Haus überfallen worden? Das hat sie nicht gesagt, aber ich denke … wohl nicht allzu lange vorher. Sie war noch … ziemlich … frisch.«
Er hustete, fing meinen Blick auf, hielt den Atem an und hustete erneut, so heftig, dass sein Gesicht erneut rot anlief.
    Jamie presste den Mund fest zusammen, und er senkte den Blick, um die Gießform aufzuklappen und eine neue Kugel in die Kaminasche fallen zu lassen.
    Ich ließ meine Gabel sinken, denn mir war jeder Appetit vergangen.
    »Wie?«, wollte ich wissen. »Wie kam es, dass diese junge Frau im Bordell gelandet ist?«
    »Nun, sie haben sie verkauft, Ma’am.« MacDonalds Wangen waren zwar noch gerötet, aber er hatte genug von seiner Fassung zurückerlangt, um mich anzusehen. »Die Banditen. Sie haben sie an einen Händler auf einem Flussboot verkauft, sagt sie, ein paar Tage nach der

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