Ein Hauch von Schnee und Asche
anbinden, das Sattelzeug überprüfen, pinkeln. Langsam suchten sie die Nähe der anderen, tasteten nach Worten, suchten in Allgemeinplätzen Erleichterung.
Er fing Ians Blick auf, doch ihr Umgang miteinander war noch zu steif für eine Situation wie diese; Ian wandte sich ab, legte Fergus den Arm um die Schulter und drückte ihn, dann stieß er ihn mit einem kurzen, groben Witz über seinen Gestank von sich. Der Franzose lächelte ihn flüchtig an und hob salutierend den dunkel verfärbten Haken.
Kenny Lindsay und Arch Bug teilten Tabak aus und stopften – allem Anschein nach seelenruhig – ihre Pfeifen. Tom Christie spazierte zu ihnen hinüber, bleich wie ein Gespenst, doch mit der Pfeife in der Hand. Nicht zum ersten Mal wurden Roger die Vorteile des Rauchens in Gesellschaft klar.
Doch Arch hatte gesehen, wie er ziellos bei seinem Pferd stand, und war zu ihm gekommen, um mit ihm zu reden. Die Stimme des alten Mannes war ruhig und flößte Vertrauen ein. Er wusste nicht mehr genau, was Arch gesagt hatte, ganz zu schweigen davon, was er geantwortet hatte; das Gespräch an sich schien ihm das Atmen wieder leichter zu machen und den Schauder zu glätten, der ihn wieder und wieder überlief wie eine brechende Welle.
Plötzlich hielt der alte Mann mitten im Satz inne und wies kopfnickend auf etwas, das sich hinter Roger befand.
»Geh jetzt, Junge. Er braucht dich.«
Als Roger sich umdrehte, sah er Jamie am anderen Ende der Lichtung stehen, halb abgewandt an einen Baum gelehnt, den Kopf in Gedanken gesenkt. Hatte er Arch ein Zeichen gegeben? Dann sah sich Jamie um und traf Rogers Blick. Ja, er suchte ihn, und Roger fand sich an Frasers Seite wieder, ohne sich eigentlich daran erinnern zu können, wie er den Abstand zwischen ihnen überquert hatte.
Jamie streckte die Hand nach der seinen aus und drückte sie. Er hielt sie fest und erwiderte den Druck.
»Ein Wort, a cliamhuinn «, sagte Jamie und ließ los. »Eigentlich ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt dafür, aber vielleicht bekommen wir keine andere Gelegenheit, und ich kann nicht lange warten.« Auch er klang ruhig, doch ganz anders als Arch. Seine Stimme war voller Scherben; Roger spürte bei ihrem Klang den haarigen Biss des Stricks und räusperte sich.
»Dann rede.«
Jamie holte tief Luft und zuckte sacht mit den Achseln, als sei ihm sein Hemd zu eng.
»Der Kleine. Es ist nicht recht, dich das zu fragen, aber ich kann nicht anders. Würdest du dasselbe für ihn empfinden, wenn du mit Gewissheit wüsstest, dass er nicht von dir ist?«
»Was?« Roger kniff einfach nur die Augen zu, ohne ein Wort zu begreifen. »Der Klei- du meinst Jem?«
Jamie nickte und sah Roger gebannt an.
»Nun ja, ich … ich weiß es nicht genau«, sagte Roger, der sich keinen Reim darauf machen konnte, worum es hier eigentlich ging. Warum? Und warum ausgerechnet jetzt ?
»Denk nach.«
Er dachte doch nach, fragte sich zum Teufel wozu? Dieser Gedanke war ihm offenbar anzusehen, denn Fraser senkte den Kopf – er begriff, so signalisierte er, dass er es wohl erklären musste.
»Ich weiß… es ist nicht sehr wahrscheinlich, aye? Aber möglich ist es. Sie könnte doch nach den Ereignissen dieser Nacht ein Kind erwarten.«
Er begriff schlagartig, als hätte ihn eine Faust unterhalb des Brustbeins getroffen. Bevor er Luft holen konnte, um etwas zu sagen, fuhr Fraser fort.
»Mir bleiben ein oder zwei Tage, um selbst -« Er wandte den Blick ab, und eine dumpfe Röte erschien zwischen den Rußstreifen, mit denen er sich das Gesicht bemalt hatte. »Es könnten zwar Zweifel bleiben, aye? So wie es bei dir ist. Aber…« Er schluckte und ließ das »aber« viel sagend in der Luft hängen.
Jamie wandte unwillkürlich den Blick ab, und Roger folgte seiner Blickrichtung. Hinter einem Vorhang aus Büschen und rotblättrigen Kletterranken war ein Becken, in dem sich das Wasser staute, und Claire kniete nackt auf der anderen Seite und betrachtete ihr Spiegelbild. Das Blut rauschte in Rogers Ohren, und er riss den Blick von ihr los, doch das Bild war schon in seinen Verstand eingebrannt.
Ihr Aussehen hatte nichts Menschliches, das war sein erster Gedanke. Ihr ganzer Körper war mit blauen Flecken übersät, ihr Gesicht nicht zu erkennen, und sie sah aus wie ein seltsames Urwesen, ein exotisches Geschöpf des Gewässers im Wald. Über ihr Aussehen hinaus war es jedoch ihre Haltung, die ihm auffiel. Sie war irgendwie ganz für sich, reglos wie ein Baum, selbst wenn die Luft seine
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