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Ein Hauch von Schnee und Asche

Ein Hauch von Schnee und Asche

Titel: Ein Hauch von Schnee und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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legte Brown seine Hand auf die Brust. Roger konnte den Puls in Browns Hals hämmern sehen, sah seinen raschen, flachen Atem. Doch der Mann hielt die Lider fest zugedrückt, obwohl seine Augäpfel panisch darunter umherrollten.
    Jamie verharrte eine Weile reglos. Schon Roger kam es lange vor – für Brown musste es eine Ewigkeit sein. Dann stieß er einen kurzen Laut aus, der ein verächtliches Lachen oder ein angewidertes Prusten gewesen sein mochte, und erhob sich.
    »Wir nehmen ihn mit. Sorgt also dafür, dass er am Leben bleibt«, sagte er auf Englisch. »Vorerst.«
    Brown hatte sich auch während des restlichen Rückwegs nach Fraser’s Ridge tot gestellt, obwohl die Männer in seiner Hörweite ständig blutrünstige Spekulationen anstellten. Roger hatte bei ihrer Ankunft mitgeholfen, ihn von der Schleppbahre loszuschnallen. Seine Kleidungsstücke und Verbände waren nass geschwitzt, der Geruch der Angst umgab ihn wie ein spürbares Miasma.
    Claire hatte sich stirnrunzelnd auf den Verletzten zu bewegt, doch Jamie hatte ihr die Hand auf den Arm gelegt und sie aufgehalten. Roger hatte nicht gehört, was er ihr zugemurmelt hatte, doch sie nickte und ging mit ihm ins Haus. Kurz darauf war Mrs. Bug erschienen und hatte Lionel Brown uncharakteristisch wortkarg in ihre Obhut genommen.
    Murdina Bug war nicht wie Jamie oder der alte Arch; ihre Gedanken waren der blutleeren Naht ihres Mundes und ihrer zornigen Stirn deutlich anzusehen. Doch Lionel Brown ließ sich von ihr Wasser geben und betrachtete sie, als sei sie das Licht seiner Erlösung. Sie hätte Brown mit Freuden
umgebracht wie eine der Kakerlaken, die sie ohne Gnade aus ihrer Küche vertrieb, dachte Roger. Doch Jamie wünschte, dass man ihn am Leben hielt, also würde er am Leben bleiben.
    Vorerst.
    Ein Geräusch an der Tür riss Roger in die Gegenwart zurück. Brianna!
    Er öffnete die Tür, doch sie war es nicht – nur das Poltern umhergewehter Zweige und Eichelhütchen. Er sah den dunklen Pfad hinauf, weil er hoffte, sie zu sehen, doch sie war noch nicht in Sicht. Natürlich, sagte er sich, Claire brauchte sie wahrscheinlich.
    Ich doch auch.
    Er unterdrückte diesen Gedanken, blieb jedoch an der Tür stehen und spähte hinaus, während ihm der Wind in den Ohren pfiff. Sie war sofort zum Haupthaus hinaufgegangen, als er kam und ihr sagte, dass ihre Mutter in Sicherheit war. Viel mehr hatte er nicht gesagt, doch sie hatte ja gesehen, wie die Dinge standen – er hatte Blut an den Kleidern, und sie hatte gerade so lange innegehalten, um sich zu versichern, dass es nicht seines war, bevor sie ins Freie stürzte.
    Er schloss vorsichtig die Tür und prüfte, ob der Luftzug Jemmy aufgeweckt hatte. Er verspürte ein immenses Bedürfnis, den Jungen in den Arm zu nehmen, und trotz seiner durch lange Erfahrung verinnerlichten Scheu, ein schlafendes Kind zu stören, hob er Jemmy aus seinem Bettchen; er konnte nicht anders.
    Jemmy lag schwer und schläfrig in seinen Armen. Er regte sich, hob den Kopf und blinzelte. Seine blauen Augen waren glasig vom Schlaf.
    »Alles okay«, flüsterte Roger und tätschelte seinen Rücken. »Papi ist hier.«
    Jem seufzte wie ein durchlöcherter Reifen und ließ den Kopf mit der Wucht einer landenden Kanonenkugel auf Rogers Schulter sinken. Eine Sekunde lang schien er sich wieder aufzurichten, doch dann steckte er den Daumen in den Mund und ergab sich jenem merkwürdig knochenlosen Zustand, der nur bei schlafenden Kindern vorkommt. Seine Haut schien seelenruhig mit Rogers zu verschmelzen, denn sein Vertrauen war so unendlich, dass es nicht einmal notwendig schien, die Grenzen seines eigenen Körpers aufrechtzuerhalten – Papa würde das tun.
    Roger schloss die Augen, weil ihm die Tränen darin aufstiegen, und drückte seinen Mund auf Jemmys weiches, warmes Haar.
    Der Feuerschein zeichnete schwarze und rote Schatten auf die Innenseiten seiner Lider; er betrachtete sie und konnte so die Tränen unterdrücken. Es spielte keine Rolle, was er dort sah. Er hatte eine kleine Sammlung gruseliger Szenen angelegt, die seit dem Morgengrauen nichts an Intensität eingebüßt hatten, doch er konnte sie ungerührt betrachten – vorerst. Es war das schlafende Vertrauen in seinen Armen, das ihn anrührte, und das Echo seiner geflüsterten Worte.
    War es überhaupt eine Erinnerung? Vielleicht war es ja nicht mehr als ein
Wunsch – dass er einmal aus dem Schlaf geweckt worden war, um dann in kräftigen Armen weiterzuschlafen und zu hören, wie jemand

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