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Ein Hauch von Schnee und Asche

Ein Hauch von Schnee und Asche

Titel: Ein Hauch von Schnee und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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nicht
richtig. Alles an diesem Bauch fühlte sich falsch an. Doch was war es nur? Möglicherweise war die Nabelschnur um den Hals gewickelt – was sehr gefährlich gewesen wäre.
    Ich schob ihr Hemd weiter zurück, um besser hören zu können, und sah die schweren Prellungen – hässliche Flecken aus heilendem Grün und Gelb, einige noch mit dunkler, rot-schwarzer Mitte, blühten wie todbringende Rosen überall auf ihrem Bauch. Bei ihrem Anblick biss ich mir auf die Lippe; sie hatten sie getreten, die Mistkerle. Ein Wunder, dass sie nicht auf der Stelle eine Fehlgeburt gehabt hatte.
    Wut stieg plötzlich in mir auf, geballte, handfeste Wut, die mir fast den Brustkorb sprengte.
    Blutete sie irgendwo? Nein. Keine Schmerzen, abgesehen von den empfindlichen Prellungen. Keine Krämpfe. Keine Wehen. Ihr Blutdruck schien normal zu sein, soweit ich das beurteilen konnte.
    Ein Unfall mit der Nabelschnur war dennoch möglich – sogar sehr wahrscheinlich. Doch es konnte genauso gut eine teilweise abgelöste Plazenta sein, die in die Gebärmutter hineinblutete. Ein Gebärmutterriss? Oder etwas Selteneres – ein toter Zwilling, eine Verwachsung… Das Einzige, was ich genau wusste war, dass dieses Kind in die Welt der Sauerstoffatmer geholt werden musste, und zwar so schnell wie möglich.
    »Wo ist Fergus?«, sagte ich mit ruhiger Stimme.
    »Ich weiß es nicht«, sagte sie im selben Tonfall absoluter Ruhe. »Er ist seit vorgestern nicht mehr zu Hause gewesen. Steck das nicht in den Mund a chuisle .« Sie streckte die Hand nach Felicité aus, die an einem Kerzenstummel kaute, konnte sie aber nicht erreichen.
    »Nicht? Nun, wir werden ihn schon finden.« Ich nahm Felicité den Kerzenstummel ab, ohne dass sie protestiert hätte. Sie spürte, dass etwas vor sich ging, wusste aber nicht, was. Auf der Suche nach Trost packte sie das Bein ihrer Mutter und versuchte hartnäckig, auf Marsalis nicht existenten Schoß zu klettern.
    »Nicht, bébé «, sagte Germain, fasste seine Schwester um die Taille und zog sie zurück. »Du kommst mit mir, a piuthar . Willst du Milch?«, fügte er hinzu, um sie zu überreden. »Wir gehen zum Kühlhaus, aye?«
    »Will Mama!« Felicité wehrte sich mit Händen und Füßen, um sich ihm zu entwinden, aber Germain hievte ihre pummelige kleine Gestalt in seine Arme.
    »Ihr Mädchen kommt jetzt mit mir«, sagte er bestimmt und schob sich ungeschickt zur Tür hinaus. Felicité grunzte und wand sich in seinen Armen, und Joanie folgte ihm zögerlich – und blieb an der Tür stehen, um mit großen, braunen Augen noch einen ängstlichen Blick auf Marsali zu werfen.
    »Geh nur, a muirninn «, rief Marsali lächelnd. »Bring sie zu Mrs. Bug. Es wird alles gut. Germain ist so ein lieber Junge«, murmelte sie, faltete die Hände auf ihrem Bauch, und das Lächeln verschwand.

    »Sehr lieb«, pflichtete ich ihr bei. »Marsali -«
    »Ich weiß«, sagte sie einfach nur. »Meinst du, dieses hier wird lebend zur Welt kommen?« Sie fuhr sich sanft mit der Hand über ihren Bauch und senkte den Blick.
    Ich war mir alles andere als sicher, doch vorerst lebte das Kind. Ich zögerte und spielte in Gedanken diverse Möglichkeiten durch. Egal, was ich tat – es barg gewaltige Risiken, für sie, für das Kind oder für beide.
    Warum war ich nur nicht eher gekommen? Ich machte mir Vorwürfe, weil ich Jamie geglaubt hatte, dass es ihr gut ging – doch ich hatte keine Zeit für Selbstvorwürfe, und es war gut möglich, dass es sowieso nichts geändert hätte.
    »Kannst du gehen?«, fragte ich. »Wir müssen zum Haupthaus.«
    »Aye, natürlich.« Sie erhob sich vorsichtig, auf meinen Arm gestützt. Sie sah sich in der Hütte um, als prägte sie sich all ihre alltäglichen Details ein, dann sah sie mich scharf und klar an. »Wir reden auf dem Weg.«
     
    Die wenigen Optionen, die ich hatte, waren zum Großteil Schrecken erregend. Wenn die Gefahr einer Plazentaablösung bestand, konnte ich einen Notkaiserschnitt durchführen und das Kind retten – aber Marsali würde sterben. Die Wehen einzuleiten und das Kind langsam zur Welt zu holen, bedeutete zwar ein Risiko für das Kind, doch für Marsali war es wesentlich sicherer. Natürlich – und diesen Gedanken behielt ich für mich – stieg bei einer Geburtseinleitung die Gefahr schwerer Blutungen. Wenn es dazu kam…
    Möglicherweise konnte ich die Blutung stillen und Marsali retten -würde aber dem Kind nicht helfen können, das wahrscheinlich auch in Gefahr sein würde. Dann war da

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