Ein Hauch von Schnee und Asche
bisschen. Sie hat Recht.«
»Kennst du auch die nächsten Zeilen?« Roger hob die Flasche an seine Lippen. »Bier, ihr Männer, müsst ihr trinken, habt sonst großen Schmerz beim Denken.«
Lachen leuchtete in Frasers Augen auf.
»Dann muss das hier Whisky sein«, sagte er. »Es riecht nur wie Bier.«
Es war kühl und dunkel und angenehm bitter, und sie reichten sich gegenseitig die Flasche, ohne viel zu reden, bis die Flasche leer war. Jamie, immer sparsam, steckte den Korken wieder hinein und verstaute die leere Flasche im Korb.
»Deine Frau«, sagte er nachdenklich, während er sich erhob und sich den Trageriemen des Korbs über die Schulter legte.
»Aye?« Roger hob den abgenutzten Hut auf, der mit Köderfliegen übersät war, und reichte ihn ihm, Jamie bedankte sich kopfnickend und setzte ihn auf.
»Sie hat auch Augen im Kopf.«
52
Disneyland
Glühwürmchen leuchteten im Gras und in den Bäumen, eine Masse schwebender kühler, grüner Flecken in der schwülen Luft. Eines landete auf Briannas Knie; sie sah es pulsieren, an-aus, an-aus, während sie zuhörte, wie ihr Mann ihr erzählte, dass er Pfarrer werden wollte.
Sie saßen auf der Eingangstreppe ihrer Hütte, während die Dämmerung in die Nacht überging. Auf der anderen Seite der großen Lichtung erklang das ausgelassene Rufen spielender Kinder im Gebüsch, schrill und fröhlich wie jagende Fledermäuse.
»Du … äh … könntest ruhig etwas sagen«, schlug Roger vor. Er hatte ihr den Kopf zugewandt und sah sie an. Es war gerade noch so hell, dass sie sein Gesicht sehen konnte, erwartungsvoll und etwas nervös.
»Na ja … lass mir eine Minute Zeit. Damit hatte ich jetzt nicht gerechnet, verstehst du?«
Das stimmte und auch wieder nicht. Natürlich hatte sie nicht bewusst an so etwas gedacht; und doch war sie jetzt, da er ihr seine Absicht mitgeteilt hatte – und das hatte er, dachte sie; es war keine Bitte um Erlaubnis -, nicht im Geringsten überrascht. Es war weniger eine Veränderung als vielmehr das Eingeständnis von etwas, das schon seit einiger Zeit im Raum stand – und sie war irgendwie auch erleichtert, es als das zu sehen und zu erkennen, was es war.
»Nun ja«, sagte sie, nachdem sie einen Moment überlegt hatte, »ich finde es gut.«
»Wirklich.« Die Erleichterung in seiner Stimme war spürbar.
»Ja. Wenn du all diesen Frauen hilfst, weil Gott es dir aufgetragen hat, ist das besser als wenn du es tust, weil du lieber mit ihnen zusammen bist als mit mir.«
»Brianna! Das kannst du doch nicht glauben, dass ich -« Er beugte sich dichter zu ihr herüber und sah ihr nervös ins Gesicht. »Das tust du nicht, oder?«
»Nun, nur manchmal«, gab sie zu. »In meinen schlechtesten Minuten. Meistens aber nicht.« Er sah so ängstlich aus, dass sie die Hand ausstreckte und seine lange, geschwungene Wange umfasste; bei diesem Licht waren
seine Bartstoppeln unsichtbar, aber sie konnte spüren, wie sie ihr sanft die Handfläche kitzelten.
»Bist du dir sicher?«, fragte sie leise. Er nickte, und sie sah, wie sich seine Kehle bewegte, als er schluckte.
»Ich bin mir sicher.«
»Hast du Angst?«
Bei dieser Frage lächelte er schwach.
»Ja.«
»Ich helfe dir«, sagte sie bestimmt. »Sag mir nur, wie, und ich helfe dir.«
Er holte tief Luft, und seine Miene erhellte sich, obwohl sein Lächeln von Reumut erfüllt war.
»Ich weiß nicht, wie«, sagte er. »Was zu tun ist, meine ich. Ganz zu schweigen davon, was du tun könntest. Das ist es ja, was mir Angst macht.«
»Vielleicht ja auch nicht«, sagte sie. »Du tust es doch sowieso schon eine ganze Weile, oder nicht? Aber brauchst du eine formelle Anerkennung? Oder kannst du einfach verlauten lassen, dass du Pfarrer bist, so wie diese Fernsehprediger, und mit der Kollekte anfangen?«
Er lächelte über ihren Witz, doch seine Antwort war ernst.
»Ihr verflixten Anhänger Roms. Ihr glaubt immer, außer euch hat niemand Anspruch auf Sakramente. Den haben wir aber. Ich habe mir gedacht, ich besuche das Presbyterianerseminar und frage, was ich in Bezug auf meine Ordinierung unternehmen muss. Und was die Kollekte angeht – ich vermute, das bedeutet, dass ich niemals reich werde.«
»Davon war ich sowieso nicht ausgegangen«, versicherte sie ihm genauso ernst. »Mach dir keine Sorgen; ich habe dich nicht deines Geldes wegen geheiratet. Wenn wir mehr brauchen, werde ich es verdienen.«
»Wie denn?«
»Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich nicht, indem ich meinen Körper feilbiete. Nicht
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