Ein Hauch von Schnee und Asche
die Felsen liefen, Pa, der in seinen abgenutzten Gummistiefeln dastand und seine Angelschnur einholte. Sehnsucht nahm ihm den Atem. Nach Schottland. Nach seinem Vater. Nach einem weiteren Tag – nur einem – voll Frieden.
Die Berge und der grüne Wald erhoben sich rätselhaft und wild ringsum, und der dunstige Himmel umschlang das Tal wie ein Engelsflügel, lautlos und von der Sonne erhellt. Aber nicht friedvoll; niemals Friede, nicht hier.
»Glaubst du uns – Claire und Brianna und mir -, was den kommenden Krieg angeht?«
Jamie lachte auf, den Blick auf das Wasser geheftet.
»Ich habe doch Augen im Kopf, Mann. Man braucht weder ein Prophet noch eine Hexe zu sein, um ihn auf der Straße stehen zu sehen.«
»Das«, sagte Roger und sah ihn neugierig an, »ist eine sehr merkwürdige Art, es auszudrücken.«
»Ist das so? Steht es nicht so in der Bibel? ›Wenn ihr aber sehen werdet den Gräuel der Verwüstung, dass er steht, wo er nicht soll, alsdann, wer in Judäa ist, der fliehe auf die Berge‹?«
Wer es liest, der merke auf! Sein Gedächtnis lieferte ihm den fehlenden Teil des Verses, und mit einem leisen, durchdringenden Gefühl der Kälte begriff Roger, dass Jamie den Krieg tatsächlich auf der Straße stehen sah und ihn erkannte. Er sprach auch nicht in Metaphern; er beschrieb exakt, was er sah – denn er sah es nicht zum ersten Mal.
Die Freudenschreie kleiner Jungen trieben über das Wasser, und Fraser wandte lauschend den Kopf. Ein schwaches Lächeln berührte seinen Mund, dann blickte er in das unruhige Wasser hinab und schien ganz still zu werden. Die Haare auf seinem sonnenverbrannten Hals regten sich, so wie sich die Blätter über ihnen bewegten.
Plötzlich hätte er Jamie gern gefragt, ob er Angst hatte, doch er schwieg. Er kannte die Antwort sowieso.
Das spielt keine Rolle. Er holte tief Luft und spürte dieselbe Antwort auf dieselbe Frage, an ihn gerichtet. Sie schien nirgendwo herzukommen, sondern war einfach in ihm, als wäre er damit geboren worden, hätte sie immer schon gewusst.
Das spielt keine Rolle. Wir tun es trotzdem.
Eine Weile verharrten sie stumm. Jamie warf die grüne Fliege noch zweimal aus, dann schüttelte er den Kopf und murmelte etwas, holte sie ein, tauschte sie gegen eine Dun Fly ein und warf die Schnur erneut aus. Die Jungen rannten nackt wie die Aale am anderen Ufer vorbei und kicherten, dann verschwanden sie im Gebüsch.
Wirklich seltsam, dachte Roger. Er fühlte sich gut. Hatte zwar immer noch nicht die leiseste Ahnung, was genau er vorhatte; sah immer noch die
dahintreibende Wolke auf sie zukommen, ohne viel mehr darüber zu wissen, was sie beinhaltete. Aber er fühlte sich dennoch gut.
Jamie hatte einen Fisch an der Angel. Er holte ihn schnell ein und warf das glänzende, zuckende Tier auf das Ufer, wo er es mit einem scharfen Hieb gegen einen Stein tötete, bevor er es in seinen Korb legte.
»Hast du vor, Quäker zu werden?«, fragte Jamie ernst.
»Nein.« Diese Frage verblüffte Roger. »Warum fragst du das?«
Jamie machte diese merkwürdige, halb achselzuckende Geste, die er manchmal benutzte, wenn ihm etwas unangenehm war, doch er sprach erst wieder, als er die Angel erneut ausgeworfen hatte.
»Du sagst, du möchtest nicht, dass dich Brianna für einen Feigling hält. Ich habe schon einmal an der Seite eines Pastors gekämpft.« Sein Mundwinkel verzog sich ironisch. »Gut, er war kein großer Schwertkämpfer, der Monsignore, und er konnte eine Scheunenwand nicht mit der Pistole treffen – aber Kampfgeist hatte er.«
»Oh.« Roger kratzte sich an Kinn. »Aye, ich verstehe, was du meinst. Nein, ich glaube nicht, dass ich in einer Armee kämpfen könnte.« Bei diesen Worten spürte er einen Stich des Bedauerns. »Aber zu den Waffen greifen, um die zu verteidigen, die – die es nötig haben … das kann ich mit meinem Gewissen vereinbaren, aye.«
»Dann ist es ja gut.«
Jamie holte den Rest der Schnur ein, schüttelte die Fliege aus und steckte sich den Haken wieder an den Hut. Er legte die Schnur beiseite, kramte in seinem Korb und zog eine Steingutflasche hervor. Er setzte sich mit einem Seufzer hin, zog mit den Zähnen den Korken heraus, spuckte ihn in seine Hand und bot Roger die Flasche an.
»Da ist dieser Spruch, den Claire manchmal zu mir sagt«, erklärte er und zitierte: »Trinkst du Whisky, guter Mann, erklärt die Welt er besser, als es Milton kann.«
Roger zog die Augenbraue hoch.
»Hast du schon einmal Milton gelesen?«
»Ein
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