Ein Hauch von Schnee und Asche
Fackeln vorbei und sangen; das flackernde Licht huschte über die Zimmerdecke und war fort. Ich konnte spüren, wie Jamie ihm nachsah und den grölenden Stimmen lauschte, die auf der Straße immer leiser wurden, doch er schwieg, und nach einer Weile begann sein kräftiger Körper, der mich wie eine Wiege umfasste, sich zu entspannen und sank erneut dem Schlaf entgegen.
»Was denkst du?«, flüsterte ich, unsicher, ob er mich noch hören konnte. Er konnte es.
»Ich denke, dass du eine wirklich gute Hure abgeben würdest, Sassenach, wenn du auch nur das kleinste bisschen promiskuitiv wärst«, erwiderte er schläfrig.
»Was?«, sagte ich völlig verblüfft.
»Aber ich bin froh, dass du es nicht bist«, fügte er hinzu und begann zu schnarchen.
57
Pastors Heimkehr
4. September 1774
Roger machte auf dem Heimweg einen Bogen um Coopersville. Zwar hatte er keine Angst vor Ute McGillivrays Zorn, aber er wollte das Glücksgefühl, das er auf dem Heimweg empfand, nicht durch Kälte oder Konfrontation schmälern. Stattdessen nahm er den langen Weg über den steilen Berghang hinauf nach Fraser’s Ridge, auf dem er gezwungen war, sich durch überwucherte Stellen zu schieben, an denen sich der Wald den Pfad zurückerobert hatte, und kleine Bäche durchqueren musste.
Sein Maultier stieg am Ende des Weges platschend aus dem letzten dieser Bäche und schüttelte sich, so dass ihm die Tropfen vom Bauch flogen. Als er stehen blieb, um sich den Schweiß vom Gesicht zu wischen, sah er, dass sich auf einem großen Stein am Ufer etwas bewegte. Aidan, der angelte und so tat, als hätte er ihn nicht gesehen.
Roger trieb Clarence an die Stelle und wartete eine Minute, ohne etwas zu sagen. Dann fragte er: »Beißen sie gut an?«
»Es geht«, erwiderte Aidan und sah angestrengt auf seine Angelschnur. Dann blickte er auf, und ein breites Grinsen zerteilte sein Gesicht von einem
Ohr zum anderen. Er warf seine Angel zu Boden, sprang auf und streckte beide Hände aus, so dass Roger seine schmalen Handgelenke packen und ihn vor sich in den Sattel schwingen konnte.
»Ihr seid wieder da!«, rief Aidan strahlend aus. Er schlang die Arme um Roger und vergrub sein Gesicht glücklich an Rogers Brust. »Ich hab auf Euch gewartet. Dann seid Ihr jetzt ein richtiger Pastor?«
»Fast, aye. Woher wusstest du denn, dass ich heute kommen würde?«
Aidan zuckte mit den Achseln. »Ich warte doch schon seit fast einer Woche.« Er sah Roger mit großen Augen fragend ins Gesicht auf. »Ihr seht gar nicht verändert aus.«
»Das bin ich auch nicht«, versicherte ihm Roger lächelnd. »Was macht dein Bauch?«
»Prima. Wollt Ihr meine Narbe sehen?« Er lehnte sich zurück und zog seinen zerschlissenen Hemdsaum hoch, um eine zehn Zentimeter breite, saubere Wulstnarbe freizulegen, die sich auffallend rot über seine weiße Haut zog.
»Gut gemacht«, sagte Roger beifällig. »Dann kümmerst du dich jetzt, wo du wieder gesund bist, also um deine Mama und Klein-Orrie?«
»Oh, aye.« Aidan blies seine schmale Brust auf. »Gestern Abend habe ich sechs Forellen zum Abendessen heimgebracht, und die größte war so lang wie mein Arm.« Er streckte zur Demonstration seinen Unterarm aus.
»Ach, du schummelst doch.«
»Doch wirklich «, beharrte Aidan entrüstet, dann merkte er, dass er aufgezogen wurde, und grinste.
Clarence, der nach Hause wollte, wurde langsam unruhig, drehte sich auf der Stelle und zog an den Zügeln.
»Ich gehe besser. Möchtest du mit mir nach oben reiten?«
Aidan sah so aus, als sei er versucht, schüttelte aber den Kopf.
»Nein. Ich habe Mrs. Ogilvie versprochen, dass ich ihr sofort Bescheid sage, wenn Ihr kommt.«
Das überraschte Roger.
»Oh, aye? Warum denn?«
»Sie hat letzte Woche ein Baby bekommen und möchte, dass es getauft wird.«
»Oh?« Bei diesen Worten wurde ihm warm ums Herz, und die Blase aus Glück in seinem Inneren vergrößerte sich ein wenig. Seine erste Taufe! Oder besser – seine erste offizielle Taufe, dachte er mit einem leisen Stich bei dem Gedanken an das O’Brian-Mädchen, das er namenlos begraben hatte. Er brauchte nur noch den Segen eines Ältesten.
»Sag Ihr, ich freue mich darauf, das Kind zu taufen«, sagte er und setzte Aidan auf den Boden. »Sie soll mir nur sagen lassen, wann. Und vergiss deine Fische nicht!«, rief er.
Aidan griff nach seiner Angelrute und der Schnur, auf der er die silbernen
Fische aufgereiht hatte – keiner davon länger als eine Hand – und stürzte in den Wald
Weitere Kostenlose Bücher