Ein Hauch von Schnee und Asche
gerichtet.
»Ja«, sagte ich knapp. Ein kurzer Anflug von Übelkeit überkam mich, und meine Handflächen begannen zu schwitzen.
»Doch es war ein kräftiger Schotte dort, und er hat sich anscheinend gegen diesen Vorschlag ausgesprochen. Doch er war allein gegen einen Pöbel -«
»Deine Spezialität«, murmelte ich Jamie zu, und er hustete.
»- aber dann hat er vorgeschlagen, dass sie um das Mädchen Karten spielen. Er hat eine Runde Bravo gespielt und gewonnen.«
»Wirklich?«, sagte ich höflich. Beim Kartenspiel zu betrügen, war eine seiner weiteren Spezialitäten, auch wenn ich versuchte, ihm diese auszureden, weil ich davon überzeugt war, dass sie ihn eines Tages ins Grab bringen würde. Kein Wunder, dass er mir nichts von diesem Abenteuer erzählt hatte.
»Also hat er Alice aufgehoben, sie in sein Plaid gewickelt und sie heimgebracht – er hat sie vor der Tür zurückgelassen.«
Sie sah Jamie voll widerstrebender Bewunderung an.
»Nun. Seid Ihr dann hier, um Eure Schuld einzutreiben? Mein Dank ist Euch sicher, was auch immer das wert sein mag.«
»Eine ganze Menge, Madam«, sagte er leise. »Aber nein. Wir sind hier, um zu versuchen, Eure Mädchen vor etwas Schlimmerem als Trunkenbolden zu bewahren.«
Sie zog ihre dünnen Augenbrauen fragend hoch.
»Vor der Syphilis«, sagte ich unverblümt. Ihr klappte der Mund auf.
Trotz ihrer relativen Jugend war Mrs. Sylvie eine abgebrühte Geschäftsfrau, die sich nichts vormachen ließ. Die Angst vor der Syphilis war zwar ein ständiger Begleiter im Leben einer Hure, doch sie ließ sich nichts von Spirochäten erzählen, und mein Vorschlag, dass ich ihrem Personal – anscheinend gab es nur drei Mädchen – Penizillin injizierte, stieß auf entschiedene Ablehnung.
Jamie ließ das Hin und Her so weit gehen, bis klar wurde, dass wir eine Sackgasse erreicht hatten. Dann versuchte er es auf einem anderen Weg.
»Meine Frau macht Euch diesen Vorschlag nicht nur aus reiner Güte, wisst Ihr?«, sagte er. Inzwischen hatte sie uns eingeladen, in einem adretten kleinen Salon mit Karovorhängen Platz zu nehmen, und er beugte sich vorsichtig vor, um die Fugen des zarten Stuhls, auf dem er saß, nicht überzustrapazieren.
»Der Sohn eines Freundes hat meine Frau aufgesucht und ihr gesagt, dass er sich bei einer Hure in Hillsboro die Syphilis geholt hat. Sie hat den Schanker gesehen; es steht außer Frage, dass der Junge die Krankheit hat. Aber er ist in Panik geraten, bevor sie ihn behandeln konnte, und hat die Flucht ergriffen. Seitdem suchen wir ihn – und haben gestern erfahren, dass er hier in Eurem Etablissement gesehen worden ist.«
Mrs. Sylvie entglitt für eine Sekunde die Kontrolle über ihr Gesicht. In der
nächsten Sekunde gewann sie sie zurück, doch ihr entsetzter Blick war nicht zu verkennen gewesen.
»Wer?«, sagte sie heiser. »Ein Schotte? Wie hat er ausgesehen?«
Jamie wechselte einen kurzen fragenden Blick mit mir und beschrieb Manfred McGillivray. Als er fertig war, war das Gesicht der jungen Puffmutter weiß wie ein Leintuch.
»Ich hatte ihn«, sagte sie. »Zweimal. Oh, Herr im Himmel.« Doch sie holte ein paar Mal tief Luft und nahm sich zusammen.
»Aber er war sauber! Ich habe darauf bestanden, dass er es mir zeigt – das tue ich immer.«
Ich erklärte ihr, dass der Schanker zwar heilte, die Krankheit aber im Blut blieb, um später auszubrechen. War ihr denn noch nie eine Hure begegnet, die die Syphilis bekam, ohne dass man vorher einen Schanker sah?
»Doch, natürlich – aber dann können sie nicht richtig aufgepasst haben«, sagte sie und presste hartnäckig die Lippen zusammen. »Ich tue das immer, und meine Mädchen genauso. Ich bestehe darauf.«
Ich konnte sehen, wie ihr Verdrängungsmechanismus einsetzte. Anstatt zuzugeben, dass sie möglicherweise eine tödliche Infektion mit sich herumtrug, beharrte sie lieber darauf, dass das unmöglich war, und in wenigen Minuten würde sie sich selbst davon überzeugt haben und uns hinauswerfen.
Jamie merkte es ebenfalls.
»Mrs. Sylvie«, unterbrach er ihren Strom von Ausreden. Sie sah ihn blinzelnd an.
»Habt Ihr ein Kartenspiel im Haus?«
»Was? Ich – ja, natürlich.«
»Dann holt es«, sagte er und lächelte. »Lanterloo oder Brag, Ihr wählt.« Sie sah ihn lange und unverwandt an, die Lippen fest aufeinander gepresst. Dann entspannten sie sich ein wenig.
»Ein ehrliches Spiel?«, fragte sie, und ihre Augen begannen schwach zu glänzen. »Und was ist der Einsatz?«
»Ein
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