Ein Hauch von Schnee und Asche
keuchte und sammelte genug Atem für den Rest der Mitteilung. »Das Baby – es geht ihm schlecht, und sie möchten, dass es getauft wird, falls es stirbt.«
Roger schlug sich mit der Hand an die Seite; das Gebetbuch, das sie ihm in Charlotte gegeben hatten, lag als kleines, beruhigendes Gewicht in seiner Tasche.
»Kannst du das?« Brianna sah ihn besorgt an. »Katholiken können es – ich meine, ein Laie kann im Notfall jemanden taufen.«
»Ja, in diesem Fall – ja«, sagte er noch atemloser, als er es kurz zuvor bereits gewesen war. Er sah Brianna an, die mit Ruß und Schmutz verschmiert war und deren Kleider nach Rauch und gebranntem Lehm statt nach Myrrhe und Aloe rochen.
»Möchtest du mitkommen?« Er wünschte sich sehr, dass sie ja sagte.
»Um nichts in der Welt möchte ich das verpassen«, versicherte sie ihm. Sie legte den schmutzigen Schal ab und schüttelte ihr Haar aus, das wie ein Banner im Wind leuchtete.
Es war das erste Kind der Ogilvies, ein kleines Mädchen, dem Brianna – mit der Erfahrung langer Mutterschaft – eine heftige Kolik diagnostizierte, das sich aber ansonsten guter Gesundheit erfreute. Die erschreckend jungen Eltern – sie sahen beide aus wie ungefähr fünfzehn – waren Mitleid erregend dankbar für alles: für Briannas beruhigende Worte und ihre Ratschläge, für ihr Angebot, ihnen Claire mit Arznei und etwas zu essen vorbeizuschicken (denn sie hatten viel zu große Angst, um auch nur daran zu denken, die Frau des Pachtherrn selbst anzusprechen, ganz zu schweigen von den Geschichten, die sie von ihr gehört hatten), und vor allem dafür, dass Roger gekommen war, um das Baby zu taufen.
Dass ein richtiger Pastor in dieser Wildnis auftauchen und sich dann auch noch herablassen sollte, Gottes Segen auf ihr Kind herabzurufen … Sie waren überwältigt von so viel Glück und nicht vom Gegenteil zu überzeugen.
Roger und Brianna blieben noch eine Weile und gingen, als die Sonne zu sinken begann, erwärmt von einer leisen, angenehmen Befangenheit über ihre gute Tat.
»Die armen Dinger«, sagte Brianna, und ihre Stimme schwankte zwischen Mitgefühl und Belustigung.
»Die armen kleinen Dinger«, pflichtete ihr Roger bei. Die Taufe war bestens vonstatten gegangen; selbst der brüllende, rotgesichtige Säugling hatte das Lärmen eingestellt, während ihm Roger Wasser über das kahle Köpfchen goss und den Schutz des Himmels auf die Seele des kleinen Mädchens herabrief. Er hatte immenses Glück dabei empfunden und grenzenlose Demut darüber, dass es ihm vergönnt gewesen war, die Zeremonie durchzuführen. Wäre da nur nicht diese eine Sache gewesen – und er war nachhaltig hin- und hergerissen zwischen verlegenem Stolz und tiefer Bestürzung.
»Ihr Name -«, sagte Brianna und blieb kopfschüttelnd stehen.
»Ich habe ja versucht, es zu verhindern«, sagte er und versuchte, die Kontrolle über seine Stimme zu behalten. »Ich habe es versucht – du warst dabei. Elizabeth, habe ich gesagt. Mairi. Elspeth vielleicht. Du hast es gehört!«
»Oh, komm schon«, sagte sie, und ihre Stimme zitterte. »Ich finde, ›Rogerina‹ ist ein wirklich schöner Name.« Dann verlor sie die Kontrolle, setzte sich ins Gras und lachte wie eine Hyäne.
»O Gott, die arme Kleine«, sagte er und versuchte – erfolglos – nicht selbst loszulachen. »Ich habe ja schon von Thomasina gehört und sogar von Jamesina, aber… o Gott.«
»Vielleicht rufen sie sie ja einfach Ina«, meinte Brianna, die sich schniefend das Gesicht mit ihrer Schürze abwischte. »Oder sie können es rückwärts sagen – Aniregor – und sie ›Annie‹ rufen.«
»Oh, du bist mir echt eine große Stütze«, sagte Roger trocken und streckte die Arme aus, um sie hochzuziehen.
Sie lehnte sich an ihn und nahm ihn in die Arme. Sie bebte immer noch vor Lachen; sie roch nach Orangen und Rauch, und das Licht der untergehenden Sonne schlug Wellen in ihrem Haar.
Schließlich hielt sie inne und hob den Kopf von seiner Schulter.
»Mein Freund ist mein, und ich bin sein« , sagte sie und küsste ihn. »Du hast deine Sache gut gemacht, Reverend. Lass uns nach Hause gehen.«
ACHTER TEIL
DER AUFRUF
58
»Liebet einander «
Roger holte Luft, so tief er konnte, und brüllte, so laut er konnte. Was nicht besonders laut war, verdammt. Noch einmal. Und noch einmal.
Es tat weh. Außerdem ärgerte es ihn; das schwache, erstickte Geräusch weckte in ihm den Wunsch, den Mund zu schließen und ihn nie wieder zu öffnen. Er holte Luft,
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