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Ein Hauch von Schnee und Asche

Ein Hauch von Schnee und Asche

Titel: Ein Hauch von Schnee und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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wandelbares Gesicht wechselte von gebannter Aufmerksamkeit zu würdigem Beifall.

    »Oh, auf jeden Fall Mrs. Kennedy« , hatte er ihr versichert. Er war ja schon zufrieden, wenn sie keine Miene verzog, da brauchte es nicht noch die Miene fremder Leute zu sein.
    »Aye, gut, dann komme ich auch – wenn Ihr nicht meint, dass es jemanden stört«, fügte Ian an Allan gerichtet hinzu, der diese Vorstellung mit einer freundschaftlichen Handbewegung abtat.
    »Oh, alle werden da sein«, wiederholte er. Bei diesem Gedanken bekam Roger einen leichten Magenkrampf.
    »Seid Ihr auf Rotwildjagd?«, fragte er und wies kopfnickend auf die Gewehre, um das Gespräch auf etwas anderes als sein bevorstehendes Debüt als Prediger zu lenken.
    »Aye«, antwortete Allan, »aber dann haben wir hier einen Panther schreien hören.« Er deutete mit einer ausholenden Geste auf den Wald ringsum. »Ian sagt, wenn sich hier ein Panther herumtreibt, ist das Wild längst fort.«
    Roger sah Ian scharf an, und dessen unnatürlich ausdrucksloses Gesicht sagte ihm mehr, als er wissen wollte. Allan Christie, in Edinburgh geboren und aufgewachsen, konnte vielleicht den Schrei eines Panthers nicht von dem eines Menschen unterscheiden, doch Ian konnte es mit Sicherheit.
    »Schade, wenn er das Wild vertrieben hat«, sagte er und sah Ian mit hochgezogener Augenbraue an. »Nun denn, ich gehe mit Euch zurück.«
     
    Er hatte »Liebe deinen Nächsten wie dich selbst« als Thema seiner ersten Predigt gewählt. »Alt, aber bewährt«, wie er zu Brianna gesagt hatte, worauf sie sich kurz vor Lachen geschüttelt hatte. Und da er dieses Thema schon in mindestens hundert Variationen gehört hatte, war er sich hinreichend sicher, dass er genug Material für die dreißig oder vierzig Minuten haben würde, die er sich für den Anfang vorgenommen hatte.
    Jetzt saß Brianna bescheiden an der Seite und beobachtete ihn – Gott sei Dank nicht wie Jackie Kennedy, sondern mit einem heimlichen Lächeln, das ihren Blick erwärmte, wann immer er sie direkt ansah.
    Er hatte sich Notizen mitgebracht, für den Fall, dass ihm der Stoff ausging oder die Inspiration versagte, doch er brauchte sie nicht. Im ersten Moment hatte es ihm den Atem verschlagen, als Tom Christie, der die Lesung vorgetragen hatte, seine Bibel zugeklappt und ihn viel sagend angeschaut hatte. Doch als er einmal losgelegt hatte, fühlte es sich ganz selbstverständlich an; es erinnerte ihn an Vorlesungen an der Universität, obwohl ihm die Kongregation weiß Gott besser zuhörte als es bei seinen Studenten üblich war. Sie unterbrachen ihn auch nicht oder diskutierten mit ihm – zumindest nicht während seines Vortrags.
    Während der ersten Sekunden war er sich seiner Umgebung intensiv bewusst; des schwachen Miefs aus Körpergeruch und den gebratenen Zwiebeln des gestrigen Abends, der abgewetzten Bodendielen, die frisch geschrubbt waren und nach Seifenlauge rochen, und der dicht gepackten
Menschen, die auf Bänken angeordnet waren, aber so zahlreich erschienen waren, dass sie sich um die letzten Stehplätze drängten. Doch innerhalb weniger Minuten nahm er nichts mehr wahr außer den Gesichtern, die er vor sich hatte.
    Allan Christie hatte nicht übertrieben; alle waren gekommen. Es war fast so voll wie während seines ersten öffentlichen Auftritts bei der vorzeitigen Auferstehung der alten Mrs. Wilson.
    Er fragte sich, wie viel dieser Anlass wohl mit seiner gegenwärtigen Popularität zu tun hatte. Einige der Anwesenden beobachteten ihn verstohlen und ein wenig erwartungsvoll, als könnte er als Zugabe Wasser in Wein verwandeln. Doch zum Großteil schienen sie mit seiner Predigt zufrieden zu sein. Seine Stimme war zwar heiser, aber Gott sei Dank laut genug.
    Er glaubte, was er sagte, und nach dem Anfang stellte er fest, dass ihm das Reden leichter fiel, und jetzt, da er sich nicht mehr auf das Sprechen konzentrieren musste, konnte er von einem Gesicht zum anderen blicken, so dass es den Anschein bekam, als spräche er sie alle persönlich an, während er im Hinterkopf flüchtige Beobachtungen anstellte.
    Marsali und Fergus waren nicht da – was keine Überraschung war -, aber Germain. Er saß mit Jem und Aidan McCallum neben Brianna. Die drei Jungen hatten sich gegenseitig angestoßen und mit den Fingern auf ihn gezeigt, als er zu sprechen begann, aber Brianna hatte dieses Benehmen mit einer gemurmelten Drohung von solchem Nachdruck unterbunden, dass sie jetzt nur noch zappelten. Aidans Mutter saß auf der

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