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Ein Hauch von Schnee und Asche

Ein Hauch von Schnee und Asche

Titel: Ein Hauch von Schnee und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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schloss die Augen und schrie mit aller Kraft – oder versuchte es zumindest.
    Brennender Schmerz schoss ihm von innen durch die rechte Halsseite, und er brach keuchend ab. Na schön. Er atmete einen Moment lang vorsichtig ein und aus, schluckte, dann schrie er noch einmal.
    Himmel, tat das weh.
    Er rieb sich mit dem Ärmel über die tränenden Augen und biss vor dem nächsten Versuch die Zähne zusammen. Als er dann mit geballten Fäusten seine Brust aufblies, hörte er Stimmen und atmete wieder aus.
    Die Stimmen waren nicht weit entfernt und riefen sich etwas zu, doch der Wind wehte von ihm fort, und er konnte die Worte nicht ausmachen. Wahrscheinlich Jäger. Es war ein schöner Herbsttag mit Luft wie frischem Wein, und der Wald war voller Lichtflecken.
    Das Laub hatte gerade erst begonnen, sich zu verfärben, doch einige Blätter fielen schon, ein lautloses, ständiges Flackern am Rand des Gesichtsfeldes. In einer solchen Umgebung konnte jede Bewegung wie Wild aussehen, das wusste er genau. Er holte Luft, um zu rufen, zögerte und murmelte »Mist!«. Toll, wirklich.
    »Esel«, sagte er zu sich selbst, holte Luft und rief »Hallooo!« mit allem was seine Stimme hergab – die krächzte und ohne jedes Volumen war. Noch einmal. Noch einmal. Und noch einmal. Beim fünften Mal hegte er allmählich den Gedanken, dass er sich lieber erschießen ließ als weiter zu versuchen, sie auf sich aufmerksam zu machen. Doch endlich trug die kühle helle Luft ein schwaches »Halloooo!« zu ihm zurück.
    Er hielt erleichtert inne und hustete, überrascht, dass kein Blut zum Vorschein kam; seine Kehle fühlte sich an wie rohes Fleisch. Doch er versuchte sich schnell an einem Summton, dann, vorsichtig, an einem ansteigenden Arpeggio. Eine Oktav. Gerade eben, und die Anstrengung sandte ihm stechende
Schmerzen durch den Kehlkopf – aber eine volle Oktav. Es war das erste Mal, dass er einen solchen Tonumfang hinbekommen hatte, seit er die Verletzung erlitten hatte.
    Ermutigt durch dieses kleine Anzeichen eines Fortschritts begrüßte er die Jäger gut gelaunt, als sie in Sicht kamen: Allan Christie und Ian Murray, beide mit langen Flinten in der Hand.
    »Pastor MacKenzie!«, begrüßte ihn Allan und grinste wie eine unangebracht freundliche Eule. »Was macht Ihr denn hier so ganz allein? Probt Ihr Eure erste Predigt?«
    »Zufälligerweise ja«, sagte Roger liebenswürdig. Es war ja auch nicht ganz falsch – und es gab keine andere gute Erklärung dafür, was er ohne Waffen, Schlingen oder Angel allein im Wald machte.
    »Nun, hoffentlich wird sie gut«, sagte Allan. »Alle werden da sein. Pa lässt Malva von morgens bis abends fegen und wischen.«
    »Ah? Nun, sagt ihr, ich weiß es zu schätzen, aye?« Nach reiflicher Überlegung hatte er Thomas Christie gefragt, ob die Sonntagsgottesdienste im Haus des Schulmeisters abgehalten werden könnten. Es war nur eine grobe Blockhütte, wie die meisten Häuser in Fraser’s Ridge, doch da der Schulunterricht dort stattfand, war das eigentliche Zimmer geräumiger als der Durchschnitt. Jamie Fraser hätte ihm zwar sicherlich gestattet, sein Haus zu benutzen, doch Roger hatte den Eindruck, dass sich seine Kongregation – was für ein Ehrfurcht erregendes Wort – unwohl dabei fühlen würde, ihre Gottesdienste im Haus eines Papisten abzuhalten, selbst wenn es ein entgegenkommender und toleranter Papist war.
    »Ihr seid doch auch dabei, oder?«, wandte sich Allan an Ian. Ian zeigte sich überrascht über diese Einladung und rieb sich unsicher die Nase.
    »Och, aber ich bin doch römisch getauft, aye?«
    »Nun, aber Ihr seid ein Christ, oder?«, sagte Allan ein wenig ungeduldig. »Oder nicht? Die Leute sagen, Ihr wärt bei den Indianern zum Heiden geworden und nicht wieder umgekehrt.«
    »Sagen sie das?«, fragte Ian nachsichtig, doch Roger sah, wie sich sein Gesicht dabei ein wenig anspannte. Allerdings nahm er neugierig zur Kenntnis, dass Ian die Frage nicht beantwortete und sich stattdessen an ihn wandte: »Kommt deine Frau denn mit, Vetter?«
    »Ja«, sagte er und drückte sich selbst die Daumen, »und unser Jemmy auch.«
    »Wie sieht das aus?« , hatte Brianna ihn gefragt und ihn mit einem gebannten Blick fixiert, das Kinn leicht gehoben, die Lippen den Bruchteil eines Zentimeters geöffnet. »Jackie Kennedy. Meinst du, so geht es, oder ziele ich besser auf Königin Elizabeth bei der Truppeninspektion ab?« Ihre Lippen pressten sich aufeinander, ihr Kinn wich ein wenig zurück, und ihr

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