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Ein Hauch von Schnee und Asche

Ein Hauch von Schnee und Asche

Titel: Ein Hauch von Schnee und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Krankheit.« Ich trocknete die letzten Tränen und ließ Roger seine Hände um die meinen legen und mir helfen, die neue Tasse festzuhalten. »Ist sie noch -?«
    »Nein.« Er sprach leise und hob den Rand der Tasse an meine Lippen. Sie dampfte heiß und duftend. Was war es?, fragte ich mich vage, Minze und etwas Kräftigeres, Bittereres … Engelwurz?
    »Sie greift nicht weiter um sich.« Roger hielt die Tasse und ließ mich langsam nippen. »In der letzten Woche ist niemand mehr krank geworden.«
    »Eine Woche?« Ich stieß an die Tasse, und mir lief etwas Tee über das Kinn. »Wie lange war ich -«
    »Ungefähr genauso lange.« Er räusperte sich. Roger hielt den Blick fest auf die Tasse gerichtet; er fuhr mir mit dem Daumen sacht über das Kinn, um die Tropfen wegzuwischen, die ich verschüttet hatte. »Du warst eine der Letzten, die krank geworden sind.«
    Ich holte tief Luft, dann trank ich noch etwas. Ein sanfter, süßer Geschmack schwebte über dem bitteren Aroma des Tees… Honig. Mein Verstand fand das Wort, und ich fühlte mich etwas erleichtert, dieses kleine, fehlende Stück Realität ausfindig gemacht zu haben.
    Ich sah seinem Verhalten an, dass einige der Kranken gestorben waren, fragte aber vorerst nicht weiter. Mich zum Leben zu entscheiden, war eine Sache. Mich den Lebenden wieder anzuschließen, war ein Kampf, der Kraft erfordern würde, die ich jetzt nicht hatte. Ich hatte meine Wurzeln aus dem
Boden gezogen und lag da wie eine verwelkte Pflanze; sie wieder in die Erde zu stecken, überstieg derzeit meine Kräfte.
    Das Wissen, dass Menschen, die ich kannte – und vielleicht geliebt hatte -, gestorben waren, war genauso schmerzhaft wie der Verlust meines Haars – und beides überforderte mich.
    Trotz der Bitterkeit trank ich noch zwei Tassen des honiggesüßten Tees, dann legte ich mich mit einem Seufzer zurück, und mein Magen fühlte sich an wie ein kleiner, heißer Ballon.
    »Du solltest dich etwas ausruhen«, riet Roger mir und stellte die Tasse auf den Tisch. »Ich hole Brianna, aye? Aber schlaf ruhig, wenn du möchtest.«
    Ich hatte nicht die Kraft zu nicken, brachte aber ein Zucken meiner Lippen zuwege, das als Lächeln durchzugehen schien. Ich streckte meine zitternde Hand aus und strich mir vorsichtig über den geschorenen Scheitel. Roger zuckte leicht zusammen.
    Er stand auf, und ich sah, wie dünn und erschöpft er war – vermutlich hatte er die ganze Woche geholfen, die Kranken zu pflegen, nicht nur mich.
    »Roger?« Es war furchtbar anstrengend zu sprechen; so furchtbar schwer, die Worte zu finden, sie aus dem Durcheinander in meinem Kopf herauszutrennen. »Hast du in letzter Zeit etwas gegessen?«
    Da veränderte sich sein Gesicht, und ein Ausdruck der Erleichterung glättete die Falten der Erschöpfung und Sorge.
    »Nein«, sagte er, räusperte sich erneut und lächelte. »Seit gestern Abend nicht.«
    »Oh. Na dann«, sagte ich und hob meine bleischwere Hand. »Dann tu das. Hol dir etwas. Wirst du das tun?«
    »Ja«, sagte er. »Das tue ich.« Doch anstatt zu gehen, zögerte er, dann kam er mit mehreren schnellen Schritten zurück, beugte sich über das Bett, nahm mein Gesicht in seine Hände und küsste mich auf die Stirn.
    »Du bist wunderschön«, sagte er mit Nachdruck. Dann drückte er mir noch einmal die Wangen und ging.
    »Was?«, sagte ich schwach, doch die einzige Antwort war der Vorhang, der sich aufblähte, als der Wind ins Zimmer wehte, der nach Äpfeln duftete.
     
    In Wirklichkeit sah ich aus wie ein Skelett mit einem außergewöhnlich unschmeichelhaften Bürstenschnitt, wie ich herausfand, als ich schließlich die Kraft fand, Jamie zu zwingen, mir einen Spiegel zu bringen.
    »Ich gehe nicht davon aus, dass du es in Betracht ziehen würdest, eine Haube zu tragen?«, schlug er vor und befühlte zögerlich ein Exemplar aus Spitze, das Marsali mir mitgebracht hatte. »Nur, bis sie wieder etwas gewachsen sind?«
    »Darauf kannst du Gift nehmen.«

    Das zu sagen, bereitete mir durchaus Schwierigkeiten, so schockiert wie ich über die Schreckensvision in meinem Spiegel war. Mich erfasste sogar ein starker Impuls, ihm die Haube aus der Hand zu reißen, sie aufzusetzen und sie mir bis auf die Schultern herunterzuziehen.
    Ich hatte bereits abgelehnt, als Mrs. Bug – die sich lauthals zu meinem Überleben als offensichtlichem Resultat ihrer Fieberbehandlung beglückwünschte – mir eine Haube angeboten hatte, ebenso wie Marsali, Malva und sämtliche anderen Frauen, die mich

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