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Ein Hauch von Schnee und Asche

Ein Hauch von Schnee und Asche

Titel: Ein Hauch von Schnee und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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rieb sacht mit dem Daumen über meine Fingerknöchel, vor und zurück, und sein Blick war ganz auf diese kleine Bewegung konzentriert.
    »Fergus hat versucht, sich umzubringen, vor drei Tagen«, sagte er ganz leise.
    Meine Hand packte krampfhaft die seine.
    »Gott im Himmel«, flüsterte ich. Er nickte, und ich merkte, dass er im Moment nichts sagen konnte; er biss sich auf die Unterlippe.
    Jetzt war ich es, die seine Hand in meine Hände nahm und Kälte durch meine Haut dringen spürte. Ich hätte es gern abgeleugnet, mich gegen die Vorstellung gewehrt – doch ich konnte es nicht. Sie hing zwischen uns, hässlich wie eine Giftkröte, die keiner von uns berühren mochte.
    »Wie denn?«, sagte ich schließlich. Meine Stimme schien im Zimmer widerzuhallen. Eigentlich war mir danach zu fragen: »Bist du sicher?«, doch ich wusste, dass es so war.
    »Mit einem Messer«, erwiderte er. Sein Mundwinkel zuckte erneut, jedoch nicht ohne Humor. »Er hat gesagt, er hätte sich aufgehängt, aber er konnte das Seil nicht mit einer Hand verknoten. Zum Glück.«
    Der Pudding hatte eine kleine feste Kugel gebildet, die wie Gummi am Boden meines Magens lag.
    »Du … hast ihn gefunden? Oder war es Marsali?
    Er schüttelte den Kopf.

    »Sie weiß es gar nicht. Oder zumindest – ich nehme an, dass sie es weiß, aber sie gibt es nicht zu. Weder vor sich selbst noch vor ihm.«
    »Dann kann er nicht schwer verletzt gewesen sein, sonst müsste sie es ja wissen.« Meine Brust schmerzte noch, doch die Worte kamen jetzt problemloser.
    »Nein. Ich habe ihn vorbeigehen sehen, als ich weiter oben auf dem Hügel ein Hirschfell gegerbt habe. Er hat mich nicht entdeckt, und ich habe nicht nach ihm gerufen. Ich weiß nicht, was es war, das mir an ihm seltsam vorkam … aber es hat mir keine Ruhe gelassen.« Er zog seine Hand zurück und rieb sich die Nase.
    »Mir ging der Gedanke nicht aus dem Kopf, dass etwas nicht stimmte, und schließlich habe ich meine Arbeit niedergelegt und bin ihm nachgegangen, noch in dem Glauben, ich sei ein Narr.«
    Fergus war am Ende des Bergkamms dem bewaldeten Abhang gefolgt, der zur Weißen Quelle führte. Dies war die abgelegenste der drei Quellen auf dem Kamm, die »weiß« genannt wurde, weil am Kopf des Teiches ein großer, heller Findling stand.
    Gerade, als Jamie aus dem Wald kam, hatte er gesehen, wie Fergus sich neben der Quelle niederlegte, den Ärmel aufgekrempelt und den Rock zum Kopfkissen zusammengefaltet, und seinen handlosen linken Arm in das Wasser tauchte.
    »Vielleicht hätte ich ihn da rufen sollen«, sagte er und fuhr sich abwesend mit der Hand durch das Haar. »Aber ich konnte es einfach nicht glauben, verstehst du?«
    Dann hatte Fergus ein kleines Jagdmesser in die rechte Hand genommen, ins Wasser gefasst und mit einem gezielten Schnitt die Pulsadern in seinem linken Ellbogen geöffnet, so dass das Blut in einer sanften, dunklen Wolke um seinen weißen Arm herum aufquoll.
    »Da habe ich gerufen«, berichtete Jamie. Er schloss die Augen und rieb sich fest mit den Händen über das Gesicht, als versuchte er, die Erinnerung auszuradieren.
    Er war den Hang hinuntergerannt, hatte Fergus gepackt, ihn hochgerissen und ihm einen Fausthieb verpasst.
    »Einen Fausthieb ?«
    »Ja«, sagte er knapp. »Er hat Glück gehabt, dass ich ihm nicht das Genick gebrochen habe, der kleine Schuft.« Das Blut war ihm ins Gesicht gestiegen, während er erzählte, und er presste die Lippen fest aufeinander.
    »War das, nachdem die Jungen Henri-Christian entführt haben?«, fragte ich. »Ich meine …«
    »Aye, ich weiß, was du meinst«, unterbrach er mich. »Und es war der Tag, nachdem die Jungen Henri-Christian in den Bach gesetzt haben, aye. Aber es war nicht nur deswegen – nicht nur der Kummer, weil der Kleine ein Zwerg ist, meine ich.« Er sah mich an, und seine Miene war gequält.

    »Wir haben geredet. Nachdem ich ihm den Arm verbunden und ihn wieder zu sich gebracht hatte. Er sagt, er hätte schon länger daran gedacht; die Sache mit dem Kleinen hätte ihm nur den Rest gegeben.«
    »Aber… wie konnte er nur?«, sagte ich bestürzt. »Marsali zu verlassen und die Kinder – wie nur?«
    Jamie senkte den Blick, die Hände auf die Knie gestützt, und seufzte. Das Fenster stand offen, und ein sanfter Windhauch kam herein und hob die Haare auf seinem Scheitel wie winzige Flammen.
    »Er dachte, ohne ihn wäre es besser um sie bestellt«, sagte er geradeheraus. »Wenn er tot wäre, könnte Marsali wieder heiraten –

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