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Ein Hauch von Schnee und Asche

Ein Hauch von Schnee und Asche

Titel: Ein Hauch von Schnee und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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erstickte.
    Als ich blinzelnd und keuchend daraus zum Vorschein kam, warf ich einen kurzen Blick auf meine weißen, schlaffen, knochigen Überreste und riss das Laken an mich, um es über mich zu ziehen. Jamie hatte sich gebückt, um mein abgelegtes Kleid, meine Unterröcke und meine Jacke vom Boden aufzulesen und legte sie über das Hemd, das er zusammengefaltet über dem Arm trug. Er nahm meine Schuhe und Strümpfe und steckte sie in seine Tasche.
    »Du«, sagte er und zeigte anklagend mit seinem langen Finger auf mich, »du gehst nirgendwo hin. Es ist verboten, dass du dich umbringst, drücke ich mich klar aus?«
    »Oh, daher hat Brianna das also«, murmelte ich und versuchte, das Schwindelgefühl abzustellen. Ich schloss die Augen wieder.
    »Ich meine, mich an eine gewisse Abtei in Frankreich zu erinnern«, sagte ich. »Und an einen ziemlich sturen jungen Mann, der sehr krank war. Und
an seinen Freund Murtagh, der seine Kleider an sich genommen hat, um zu verhindern, dass er aufstand und davonspazierte, bevor er wieder gesund war.«
    Schweigen. Ich öffnete ein Auge. Er stand reglos da, und das verblassende Licht aus dem Fenster schlug Funken in seinem Haar.
    »Woraufhin du«, sagte ich im Konversationston, »wenn ich mich recht entsinne, prompt aus einem Fenster geklettert bist und dich davongemacht hast. Nackt. Mitten im Winter.«
    Die steifen Finger seiner rechten Hand klopften zweimal gegen sein Bein.
    »Ich war vierundzwanzig«, wandte er schließlich schroff ein. »Niemand hat von mir erwartet, dass ich vernünftig bin.«
    »Dem kann ich nicht widersprechen«, versicherte ich ihm. Ich öffnete das andere Auge und fixierte ihn mit beiden. »Aber du weißt, warum ich es getan habe. Ich musste es.«
    Er holte tief Luft und legte meine Kleider hin. Dann trat er zum Bett und setzte sich neben mich, so dass das hölzerne Bettgestell unter seinem Gewicht ächzte und stöhnte.
    Er nahm meine Hand und hielt sie fest, als sei sie etwas Kostbares und Zerbrechliches. Das war sie auch – zumindest sah sie zerbrechlich aus , ein zartes Konstrukt aus transparenter Haut und dem Schatten der Knochen darunter. Er fuhr sanft mit dem Daumen über meinen Handrücken und zeichnete die Knochen von den Fingergliedern bis zur Elle nach, und eine ferne Erinnerung überkam mich wie ein seltsames Kribbeln; die Vision meiner eigenen Knochen, die blau durch die Haut hindurchschimmerten, und Master Raymonds Hand, die meine entzündete, leere Gebärmutter umfasste und durch die Nebel des Fiebers zu mir sprach. »Ruft ihn. Ruft den roten Mann.«
    »Jamie«, sagte ich ganz leise. Sonnenlicht blitzte auf dem Metall meines silbernen Eherings auf. Er nahm den Ring zwischen Daumen und Zeigefinger und ließ den kleinen Metallreif sanft an meinem Finger auf und ab gleiten. Er saß so lose, dass er nicht einmal an meinem Fingerknöchel hängenblieb.
    »Sei vorsichtig«, sagte ich. »Ich möchte ihn nicht verlieren.«
    »Das wirst du auch nicht.« Er faltete meine Finger, und seine große Hand schloss sich warm um die meine.
    Eine Zeit lang saß er schweigend da, und wir sahen zu, wie der Streifen Sonnenlicht langsam über die Fensterbank kroch. Adso war ihm gefolgt, um in seiner Wärme zu bleiben; das Licht ließ seine Haarspitzen silbern aufglänzen, und die winzigen Härchen, die seine Ohren umrahmten, malten sich deutlich ab.
    »Was für ein Luxus es ist«, sagte er schließlich, »die Sonne auf- und untergehen zu sehen. Als ich in der Höhle gelebt habe oder im Gefängnis war, hat es mir Hoffnung geschenkt, das Licht kommen und gehen zu sehen und zu wissen, dass sich die Welt weiterdrehte.«

    Er starrte zum Fenster hinaus in die Ferne, wo sich der Himmel in Richtung Unendlichkeit verdunkelte. Seine Kehle regte sich sacht, als er schluckte.
    »Dasselbe Gefühl habe ich, Sassenach«, sagte er, »wenn ich dich in deinem Sprechzimmer rascheln höre, wenn du dort mit Gegenständen klapperst und vor dich hin fluchst.« Jetzt wandte er mir den Kopf zu, um mich anzusehen, und in seinen Augen lag die Tiefe der kommenden Nacht.
    »Wenn du nicht länger da wärst – oder zumindest irgendwo -«, sagte er ganz leise, »dann würde die Sonne nicht länger auf- oder untergehen.« Er hob meine Hand und küsste sie sanft. Er schloss sie um den Ring, legte sie auf meine Brust, erhob sich und ging.
     
    Jetzt schlief ich leicht und wurde nicht länger in die wilde Welt der Fieberträume geschleudert oder in den Brunnenschacht des Vergessens gesogen, während

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