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Ein Hauch von Schnee und Asche

Ein Hauch von Schnee und Asche

Titel: Ein Hauch von Schnee und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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ihre Oberschenkel, als es dem bedrängten Jäger gelang, sich mit rudernden Armen fluchend auf den Rücken zu rollen und dann mit dem Vielfraß zu ringen, der versuchte, ihn am Hals zu packen.
    Der Feuerschein glänzte auf den Narben, die Walking Elks Brust und Schultern verzierten – dicke, weiße Wulste, die sich in der weiten Halsöffnung seines Hemdes zeigten, als er sich jetzt heftig wand und mit ausgestreckten Armen seinen unsichtbaren Gegner von sich drückte. Ian ertappte sich dabei, dass er sich mit angehaltenem Atem und vor Anstrengung verkrampften Schultern vorbeugte, obwohl er wusste, was als Nächstes kam.
    Walking Elk hatte diesen Trick schon oft vollführt, aber er verfehlte seine Wirkung nie. Ian hatte es selbst versucht, doch er konnte es nicht. Der Jäger grub seine Fersen und Schultern in den Boden und wölbte seinen Körper wie einen gespannten Bogen auf. Seine Beine zitterten, seine Arme bebten – bestimmt würden sie jeden Moment nachgeben. Die Männer am Feuer hielten den Atem an.
    Dann kam es; ein leises, plötzliches Klick . Es war deutlich und irgendwie gedämpft zugleich, genau das Geräusch, das beim Brechen eines Genicks entstand. Das Bersten von Knochen und Sehnen, durch Muskeln und Fell gedämpft. Der Jäger verweilte noch ein paar Sekunden ungläubig in seiner aufgebäumten Position, dann ließ er sich ganz langsam zu Boden sinken, setzte sich und starrte den Kadaver seines Feindes an, den er schlaff in den Händen hielt.
    Er hob seinen Kopf zu einem stummen Dankgebet, hielt dann inne und rümpfte die Nase. Er blickte an sich hinunter, das Gesicht zu einer Grimasse
verzogen, und rieb heftig an seinen Leggings, die der Vielfraß mit seinen stinkenden Exkrementen beschmutzt hatte. Das Publikum am Feuer erbebte vor Lachen.
    Ein kleiner Eimer Sprossenbier machte die Runde; Walking Elk strahlte mit schweißglänzendem Gesicht und nahm ihn in Empfang. Sein kurzer, stämmiger Hals bewegte sich heftig, als er das scharfe Getränk hinunterschüttete wie Wasser. Schließlich setzte er den Eimer ab und sah sich mit einem Ausdruck verträumter Genugtuung um.
    »Du, Wolfsbruder. Erzähl uns eine Geschichte!« Er warf den halb leeren Eimer über das Feuer hinweg; Ian fing ihn auf und verschüttete dabei nur ein paar Tropfen, die ihm über das Handgelenk liefen. Er saugte sich die Flüssigkeit vom Ärmel, lachte und schüttelte den Kopf. Er trank schnell einen Schluck Bier und reichte den Eimer an Snake weiter, der neben ihm saß.
    Eats Turtles – Schildkrötenesser -, der an seiner anderen Seite saß, stieß Ian in die Rippen, um ihn zum Erzählen zu bewegen, aber er schüttelte erneut den Kopf, zuckte mit den Achseln und wies mit dem Kinn auf seinen Nachbarn.
    Snake ließ sich das nicht zweimal sagen. Er stellte den Eimer genau vor sich hin und beugte sich vor. Der Feuerschein tanzte in seinem Gesicht, als er zu reden begann. Er war kein großer Schauspieler, so wie Walking Elk , aber er war schon älter – etwa dreißig – und war in seiner Jugend weit herumgekommen. Er hatte bei den Assiniboin und den Cayuga gelebt und bei ihnen viele Geschichten gelernt, die er mit großem Geschick – wenn auch weniger schweißtreibend – erzählte.
    »Erzählst du uns denn später etwas?«, flüsterte Turtle Ian ins Ohr. »Ich möchte gern etwas von der See und von der Frau mit den grünen Augen hören.«
    Ian nickte ein wenig zögerlich. Er war beim ersten Mal ziemlich betrunken gewesen, sonst hätte er niemals von Geillis Abernathy gesprochen. Aber sie hatten Rum getrunken, und das Schwindelgefühl, das er ihm bereitete, war dem Gefühl sehr ähnlich gewesen, das er von dem Zeug bekam, das sie ihm zu trinken gegeben hatte, wenn er auch anders schmeckte. Ein Taumelgefühl, das seinen Blick verschwimmen ließ, so dass sich die Kerzenflammen lang zogen und wie Wasser verschwammen und die Flammen des Kamins so aussahen, als schwappten sie über, um dann das Kaminsims zu erklettern und überall in ihrem reichlich ausgestatteten Zimmer aufzutauchen, auf jeder runden Oberfläche aus Silber oder Glas, Edelsteinen oder poliertem Holz ein separates Feuer zu entzünden – doch am hellsten flackerte es hinter den grünen Augen.
    Er sah sich um. Hier gab es keine glänzenden Oberflächen. Tontöpfe, grobes Brennholz und die glatten Pfosten der Bettgestelle, Mahlsteine und Flechtkörbe; selbst die Stoffe und Pelze ihrer Kleidung hatten sanfte, gedämpfte
Farben, die das Licht schluckten. Es musste die Erinnerung an

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