Ein Hauch von Schnee und Asche
ist, als Erstes nimmt man sie in den Arm und kuschelt mit ihnen. Und wenn sie zu groß sind, um sie aufzuheben… Und wenn sein warmes Gewicht und das Geräusch seines Atems in ihrem Ohr die Stimmen im Wind von ihr fern hielten, umso besser.
Ihr kam eine bruchstückhafte Erinnerung, ein kurzes, lebhaftes Bild ihrer Mutter, die in der Küche ihres Bostoner Hauses hinter ihrem Vater stand. Er hatte sich auf seinem Stuhl zurückgelehnt, den Kopf an den Bauch ihrer Mutter gelegt und die Augen vor Schmerz oder Erschöpfung geschlossen, während sie ihm die Schläfen rieb. Was war es gewesen? Kopfschmerzen?
Doch das Gesicht ihrer Mutter war sanft gewesen, die Falten der Anstrengung ihres eigenen Tages geglättet durch die Massage, die sie ihm verabreichte.
»Ich komme mir albern vor«, murmelte Ian schüchtern – doch er wich nicht zurück.
»Nein, das tust du nicht.«
Er holte tief Luft, wand sich ein wenig und machte es sich vorsichtig im Gras bequem. Sein Körper berührte den ihren kaum.
»Aye, nun. Dann wohl doch nicht«, sagte er leise. Nach und nach ging sein Argwohn in Entspannung über, sein Kopf wurde schwerer an ihrer Schulter, die Verhärtung seiner Rückenmuskeln ließ unter ihrer Hand langsam nach. Ganz zögernd, als erwartete er, dass sie ihn mit einer Ohrfeige vertreiben würde, hob er einen Arm und legte ihn um sie.
Es schien, als hätte sich der Wind gelegt. Das Feuer erleuchtete sein Gesicht, in dem sich die dunklen, gepunkteten Linien seiner Tätowierungen auf seiner Jungenhaut abzeichneten. Sein Haar an ihrer Wange roch nach Holzrauch und Staub.
»Erzähl’s mir«, sagte sie.
Er seufzte tief.
»Noch nicht«, sagte er. »Wenn wir dort sind, aye?«
Dann schwieg er, und sie lagen zusammen im Gras, lautlos und in Sicherheit.
Brianna spürte den Schlaf kommen, der sie auf sanften Wogen dem Frieden entgegentrug, und sie wehrte sich nicht. Das Letzte, woran sie sich erinnerte, war Ians Gesicht, das mit der Wange schwer an ihrer Schulter ruhte, die Augen immer noch offen und auf das Feuer gerichtet.
Walking Elk – Wandernder Elch – erzählte eine Geschichte. Es war eine seiner besten Geschichten, aber Ian war mit den Gedanken nicht richtig bei der Sache. Ian saß Walking Elk am Feuer gegenüber, aber er beobachtete die Flammen, nicht das Gesicht seines Freundes.
Sehr seltsam, dachte er. Sein Leben lang beobachtete er schon die Feuer seiner Heime, doch bis zu diesem Winter hatte er noch nie die Frau darin gesehen. Natürlich brannten die Torffeuer in Schottland nicht besonders hell, wenn sie auch schön warm waren und angenehm rochen … oh. Die Wärme und der Duft. Aye, also war sie doch da. Er nickte sacht und lächelte. Walking Elk interpretierte dies als Geste des Beifalls für seine Darbietung, und seine Gesten wurden jetzt noch dramatischer. Er schnitt furchtbare Grimassen, machte große Sätze, fletschte die Zähne und knurrte, um den Vielfraß darzustellen, den er sorgsam bis zu seinem Schlafplatz verfolgt hatte.
Der Lärm lenkte Ian vom Feuer ab, und er konzentrierte sich wieder auf die Geschichte. Genau rechtzeitig, denn Walking Elk hatte jetzt den Höhepunkt
erreicht, und die jungen Männer stießen einander erwartungsvoll an. Walking Elk war klein und untersetzt – er war einem Vielfraß gar nicht so unähnlich, und das machte seine Imitation umso unterhaltsamer.
Er wandte den Kopf, rümpfte die Nase und knurrte mit zusammengebissenen Zähnen, als der Vielfraß den Geruch des Jägers aufnahm. Dann wechselte er blitzschnell die Rollen und wurde zu dem Jäger, der vorsichtig durch das Unterholz kroch, innehielt, sich tief gebückt hinhockte – und mit einem scharfen Aufschrei in die Luft sprang, weil sein Hintern in einem Dorn gelandet war.
Die Männer am Feuer stießen Beifallsrufe aus, als Walking Elk wieder in die Haut des Vielfraßes schlüpfte, der zuerst ein erstauntes Gesicht über den Lärm machte und dann einen begeisterten Ausdruck annahm, weil er seine Beute erspäht hatte. Er sprang unter wütendem Knurren und schrillem Aufjaulen von seinem Schlafplatz. Der Jäger fiel zu Tode erschrocken hintenüber und machte kehrt, um wegzurennen. Walking Elks stämmige Beine gruben sich in den festgetrampelten Boden des Langhauses, als er auf der Stelle lief. Dann warf er die Arme hoch und landete mit einem verzweifelten »Ay-Yiiiiii!« auf allen vieren, als ihn der Vielfraß in den Rücken boxte.
Die Männer riefen ihm ermutigend zu und klatschten mit den Handflächen auf
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