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Ein Hauch von Schnee und Asche

Ein Hauch von Schnee und Asche

Titel: Ein Hauch von Schnee und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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»Du meinst zurück zu den Mohawk?«
    Er nickte.
    »Zurück zu Emily. Sie hat mich geliebt«, sagte er leise. »Das weiß ich. War es ein Fehler, mich von der Alten fortschicken zu lassen? Sollte ich zurückgehen, vielleicht um sie kämpfen, wenn es nötig wäre? Vielleicht sehen, ob sie mit mir nach Fraser’s Ridge gehen würde?«
    »Oh, Ian.« Sie fühlte sich noch genauso hilflos wie zuvor, doch diesmal wurde sie nicht zusätzlich durch ihren eigenen Schmerz belastet. Aber wer war sie, dass sie ihm etwas raten sollte? Wie konnte sie die Verantwortung tragen, diese Entscheidung für ihn zu treffen – zu ihm zu sagen, bleib – oder geh?
    Doch er ließ ihr Gesicht nicht aus den Augen, und sie begriff – sie war
seine Familie. Und daher lag die Verantwortung in ihren Händen, ob sie sich dazu im Stande fühlte oder nicht.
    Ihr war eng um die Brust, als müsste sie explodieren, wenn sie tief Luft holte. Sie tat es dennoch.
    »Bleib«, sagte sie.
    Er stand lange da und sah ihr in die Augen – die seinen tief haselgrün, goldgefleckt und ernst.
    »Du könntest gegen ihn kämpfen – Ahk …« Sie versuchte, sich an die Silben des Mohawk-Namens zu erinnern. » Sun Elk . Aber du kannst nicht gegen sie kämpfen. Wenn sie zu dem Schluss gekommen ist, dass sie nicht mehr mit dir zusammen sein möchte… Ian, das kannst du nicht ändern.«
    Er blinzelte, so dass ihm seine dunklen Wimpern den Blick versperrten, und hielt die Augen geschlossen. Sie wusste nicht, ob er ihre Worte damit bestätigte oder ablehnte.
    »Aber darum geht es nicht allein«, sagte sie, und ihre Stimme wurde fester. »Es geht nicht nur um sie oder ihn. Nicht wahr?«
    »Nein«, sagte er. Seine Stimme klang fern, beinahe gleichgültig, doch sie wusste, dass es nicht so war.
    »Es liegt an ihnen«, sagte sie, leiser jetzt. »All die Mütter. Die Großmütter. Die Frauen. Die – die Kinder.« Clan, Familie, Stamm und Nation; Sitte, Geist, Tradition – die Fäden, die Die-mit-den-Händen-arbeitet umgarnten und sie sicher am Boden festhielten. Und vor allem – Kinder. Diese lauten Stimmchen, die die Stimmen des Waldes übertönten und verhinderten, dass die Seele nachts zu wandern begann.
    Niemand kannte die Kraft solcher Bindungen besser als jemand, der ohne sie existiert hatte, ausgestoßen und allein. Sie hatte schon so gelebt, er hatte schon so gelebt, und sie wussten beide, dass es wahr war.
    »Es liegt an ihnen«, wiederholte er leise und öffnete die Augen. Der Verlust färbte sie dunkel, verlieh ihnen die Farbe des Schattens im tiefsten Wald. »Und ihnen.« Er wandte den Kopf und blickte nach oben zu den Bäumen jenseits des Baches, oberhalb des Mammuts, das in der Erde gefangen lag, vom Himmel isoliert, immun gegen jedes Gebet. Er wandte sich zurück, hob eine Hand und berührte ihre Wange.
    »Dann bleibe ich.«
     
    Sie schlugen ihr Nachtlager am anderen Ufer des Biberteichs auf. Die verstreuten Holzspäne und entrindeten Schößlinge gaben guten Zunder für ihr Feuer ab.
    Sie hatten nicht viel zu essen; nicht mehr als eine Mütze voll Blaubeeren und den Brotkanten, der inzwischen so hart war, dass sie ihn in Wasser tunken mussten, um ihn kauen zu können. Es spielte keine Rolle; keiner von ihnen hatte Hunger, und Rollo war verschwunden, um für seinen eigenen Bedarf zu jagen.

    Sie saßen schweigend da und sahen zu, wie das Feuer erlosch. Es war nicht nötig, es brennen zu lassen; die Nacht war nicht kalt, und sie konnten sich am Morgen nicht lange aufhalten – ihr Zuhause war zu nah.
    Schließlich regte sich Ian, und Brianna sah ihn an.
    »Wie war der Name deines Vaters?«, fragte er sehr formell.
    »Frank – äh … Franklin. Franklin Wolverton Randall.«
    »Dann war er Engländer?«
    »Durch und durch«, bestätigte sie und musste lächeln.
    Er nickte und murmelte »Franklin Wolverton Randall« vor sich hin, als wollte er sich den Namen ins Gedächtnis prägen. Dann sah er sie ernst an.
    »Wenn ich mich je in einer Kirche wiederfinde, zünde ich zu seiner Erinnerung eine Kerze an.«
    »Ich glaube … das würde ihm gefallen.«
    Er nickte und lehnte sich mit dem Rücken an eine Seidenkiefer. Der Boden in ihrer Nähe war mit Zapfen übersät; er nahm sich ein paar davon und warf sie nacheinander ins Feuer.
    »Was ist mit Lizzie?«, fragte sie nach einer Weile. »Sie hat dich immer schon gern gehabt.« Das war gelinde ausgedrückt; Lizzie hatte wochenlang getrauert, als sie ihn an die Irokesen verloren hatten. »Und da sie Manfred jetzt doch

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