Ein Hauch von Schnee und Asche
nicht heiratet …«
Er legte mit geschlossenen Augen den Kopf zurück und lehnte ihn an den Baumstamm.
»Ich habe darüber nachgedacht«, gab er zu.
»Aber …?«
»Aye, aber.« Er öffnete die Augen und warf ihr einen ironischen Blick zu. »Wenn ich neben ihr aufwachen würde, wüsste ich, wo ich bin. Im Bett bei meiner kleinen Schwester, dort würde ich sein. Ich glaube, so verzweifelt bin ich nicht. Noch nicht«, fügte er als nahe liegende Ergänzung hinzu.
71
Black Pudding
Ich war mit der Herstellung von Black Pudding beschäftigt, als Ronnie Sinclair auf dem Hof auftauchte. Er trug zwei Whiskyfässer vor sich her. Mehrere andere hingen ihm ordentlich zusammengebunden als Kaskade über den Rücken, was ihm das Aussehen einer Art exotischer Raupe verlieh, die sich während der Verpuppung mühsam aufrecht hielt. Es war ein kühler Tag, doch der lange Marsch bergauf hatte ihn heftig ins Schwitzen gebracht, und er fluchte nicht minder heftig.
»Warum in Dreiteufelsnamen hat Ehrwürden das verflixte Haus hier oben in den gottverdammten Wolken gebaut?«, wollte er ohne Umschweife wissen. »Warum nicht an einer Stelle, wo man mit dem verfluchten Wagen auf den Hof fahren kann?« Er setzte die Fässer vorsichtig ab, dann zog er den Kopf aus dem Tragegeschirr, um seinen hölzernen Panzer abzulegen. Er seufzte erleichtert und rieb sich die Stellen, an denen sich die Trageriemen in seine Schultern gegraben hatten.
Ich ignorierte seine rhetorischen Fragen und rührte weiter, wobei ich einladend mit dem Kopf auf das Haus deutete.
»Wir haben frischen Kaffee«, sagte ich, »und Honiggebäck.« Mein Magen verkrampfte sich bei dem Gedanken ans Essen allerdings ein wenig. War er erst einmal gewürzt, in seine Hülle gestopft, vorgekocht und später gebraten, war Black Pudding eine Köstlichkeit. In seinen früheren Stadien, zu denen es nun einmal gehörte, dass man armtief in einem Fass mit halb geronnenem Schweineblut herumrührte, war er um einiges weniger appetitlich.
Sinclair dagegen machte bei der Erwähnung von Essbarem gleich ein zufriedeneres Gesicht. Er wischte sich mit dem Ärmel über die schweißnasse Stirn, nickte mir zu und wandte sich zum Haus. Dann hielt er inne und drehte sich zurück.
»Ah. Das habe ich vergessen, Missus. Ich habe auch’ne Nachricht für Euch.« Er tastete vorsichtig an seiner Brust herum, dann tiefer und befühlte seine Rippen, bis er schließlich fand, wonach er suchte, und es zwischen seinen verschwitzten Kleiderschichten hervorzog. Er brachte ein feuchtes Papierbündel zum Vorschein und hielt es mir erwartungsvoll entgegen, ohne die Tatsache zu beachten, dass mein rechter Arm fast bis zur Schulter mit Blut bedeckt war und der linke kaum besser aussah.
Ich versuchte, mir mit dem sauberen linken Ellbogen das Haar aus dem Gesicht zu streichen, doch es gelang mir nicht.
»Nehmt es mit in die Küche, ja?«, schlug ich vor. »Ehrwürden ist drinnen. Ich komme, sobald ich hier fertig bin. Wer -« Ich hatte fragen wollen, von wem der Brief war, änderte die Frage aber taktvoll in: »Wer hat ihn Euch gegeben?« Ronnie konnte nicht lesen – doch ich sah sowieso keinerlei Schriftzeichen auf der Außenseite der Notiz.
»Ein Kesselflicker, der nach Belem unterwegs war, hat ihn mir gegeben«, sagte er. »Er hat nicht gesagt, von wem er ihn hatte – nur, dass er für die Heilerin ist.«
Er sah das zusammengefaltete Papier stirnrunzelnd an, doch ich merkte, wie sein Blick zu meinen Beinen abschweifte. Trotz des kühlen Wetters war ich barfuß, trug nur mein langes Hemd und hatte mir eine blutverschmierte Schürze um die Taille gebunden. Ronnie war seit einiger Zeit auf Brautschau und hatte sich demzufolge angewöhnt, die physischen Attribute jeder Frau, der er begegnete, abschätzend zu betrachten, ohne sich darum zu
kümmern, wie alt sie war oder ob sie zu haben war. Er bemerkte, dass ich es bemerkt hatte, und riss den Blick hastig los.
»Das war alles?«, fragte ich. »Die Heilerin? Meinen Namen hat er nicht genannt?«
Sinclair rieb sich mit der Hand durch das schüttere, rote Haar, so dass zwei Strähnen über seinen Ohren abstanden, was ihm noch mehr als sonst das Aussehen eines gerissenen Fuchses verlieh.
»Brauchte er doch auch nicht, oder?« Ohne weitere Konversationsversuche zu unternehmen, verschwand er auf der Suche nach etwas Essbarem und nach Jamie im Haus, und ich machte mich wieder an meine blutige Arbeit.
Das Schlimmste war, das Blut zu reinigen. Man fuhr mit dem Arm
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