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Ein Hauch von Schnee und Asche

Ein Hauch von Schnee und Asche

Titel: Ein Hauch von Schnee und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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das konnte jeder sehen.
    Roger hatte den Christies sofort einen Besuch abgestattet – fast jeden Tag seit Malvas Tod -, hatte das Mädchen schlicht und unter Tränen beerdigt und hatte seitdem sein Letztes gegeben, um allen anderen Bewohnern von Fraser’s Ridge vernünftig, tröstend und bestimmt zuzureden. Er hatte seinen Plan, zur Ordinierung nach Edenton zu reisen, sofort beiseite gelegt, doch als Jamie das hörte, hatte er darauf bestanden.
    »Du hast hier alles getan, was dir möglich war«, sagte sie zum hundertsten Mal. »Es gibt nichts mehr, was du tun könntest, um zu helfen – und es könnte Jahre dauern, bis die Gelegenheit wiederkommt.«
    Sie wusste, wie sehr er es sich wünschte, ordiniert zu werden, und hätte alles getan, um ihm zur Erfüllung dieses Wunsches zu verhelfen. Sie wäre
auch gern dabei gewesen, doch ohne großes Hin und Her hatten sie sich darauf geeinigt, dass es das Beste war, wenn sie und Jem nach River Run gingen und dort abwarteten, bis Roger aus Edenton zurückkehrte. Es konnte nicht sehr hilfreich sein, wenn ein Pastor in spe dort mit einer katholischen Frau und einem ebensolchen Kind auftauchte.
    Doch das schlechte Gewissen zu gehen, während ihre Eltern im Auge eines Wirbelsturms standen …
    »Du musst gehen«, wiederholte sie. »Aber vielleicht könnte ich -«
    Er gebot ihr mit einem Blick Einhalt.
    »Das hatten wir doch schon.« Er hatte damit argumentiert, dass ihre Anwesenheit die öffentliche Meinung kaum beeinflussen würde, was wahrscheinlich stimmte. Ihr war klar, dass sein eigentlicher Grund – und der ihrer Eltern – der Wunsch war, sie und Jemmy in sicherem Abstand von Fraser’s Ridge und dem Aufruhr zu wissen, am besten, bevor Jemmy begriff, dass eine ganze Reihe der Nachbarn seine Großmutter oder sogar beide Großeltern für kaltblütige Mörder hielt.
    Und zu ihrer geheimen Schande brannte sie darauf zu gehen.
    Irgendjemand hatte Malva umgebracht – und ihr Baby. Jedes Mal, wenn sie daran dachte, schwammen ihr die Möglichkeiten vor Augen, die Litanei der Namen. Und jedes Mal war sie gezwungen, den Namen ihres Vetters darunter zu lesen. Ian war nicht davongelaufen – und sie konnte – konnte – nicht glauben, dass er es gewesen war. Und doch war sie jeden Tag gezwungen, Ian zu sehen und über diese Möglichkeit nachzudenken.
    Sie stand da und starrte in die Tasche, die sie gerade packte, faltete das Hemd in ihren Händen auseinander und wieder zusammen, suchte nach Gründen zu gehen, Gründen zu bleiben – und wusste, dass kein Grund irgendeine Macht hatte, nicht jetzt.
    Ein dumpfes Plumpsen von draußen riss sie aus dem Sumpf ihrer Unentschlossenheit.
    »Was -« Sie war mit zwei Schritten an der Tür, gerade schnell genug, um Jem und Aidan wie zwei Kaninchen im Wald verschwinden zu sehen. Am Rand des Grabens lagen die Scherben des Rohrsegments, das ihnen gerade hingefallen war.
    »Ihr kleinen Rotzlöffel !«, brüllte sie und griff nach einem Besen – ohne zu wissen, was sie damit vorhatte, aber Gewalt schien das einzige Ventil für die Frustration zu sein, die gerade wie ein Vulkan explodiert war und sie sengend durchfuhr.
    »Brianna«, sagte Roger leise und legte ihr die Hand auf den Rücken. »Es ist nicht wichtig.«
    Sie fuhr zurück und baute sich vor ihm auf. Das Blut dröhnte in ihren Ohren.
    »Hast du irgendeine Vorstellung, wie lange es dauert, so ein Teil zu machen?
Wie oft ich brennen muss, bevor ich eins bekomme, das keinen Sprung hat? Wie -«
    »Ja, ich weiß«, sagte er mit gleichmütiger Stimme. »Und es ist trotzdem nicht wichtig.«
    Sie stand zitternd da und atmete schwer. Er streckte ganz sanft die Hand aus, nahm ihr den Besen ab und stellte ihn wieder an seinen Platz.
    »Ich muss – gehen«, sagte sie, als sie wieder Worte zustande bekam, und er nickte. In seinen Augen lauerte die Traurigkeit, die er seit dem Tag, an dem Malva gestorben war, mit sich herumtrug.
    »Aye, das ist wahr«, sagte er leise.
    Er trat hinter sie, legte die Arme um sie, so dass sein Kinn auf ihrer Schulter ruhte, und allmählich hörte sie auf zu zittern. Am anderen Ende der Lichtung sah sie Mrs. Bug mit einer Schürze voller Kohlköpfe und Möhren aus dem Garten kommen; Claire hatte keinen Fuß mehr in ihren Garten gesetzt, seit…
    »Werden sie es heil überstehen?«
    »Wir werden dafür beten«, sagte er und nahm sie fester in die Arme. Seine Berührung tröstete sie, und erst später fiel ihr auf, dass er ihr eigentlich keine konkrete Antwort gegeben

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