Ein Hauch von Schnee und Asche
hatte.
87
Die Gerechtigkeit ist mein, sagt der Herr
Ich drückte mit dem Finger auf Lord Johns letztes Paket und bemühte mich, die Energie aufzubringen, um es zu öffnen. Es war eine kleine Holzkiste; vielleicht noch mehr Vitriol. Am besten sollte ich neuen Äther herstellen – doch zu welchem Zweck? Es kam niemand mehr in mein Sprechzimmer, nicht einmal, um sich kleine Schürfwunden oder Prellungen behandeln zu lassen, von gelegentlichen Blinddarmoperationen ganz zu schweigen.
Ich fuhr mit dem Finger durch den Staub auf der Arbeitsfläche und dachte mir, dass ich mich zumindest darum kümmern sollte. Mrs. Bug hielt den Rest des Hauses in makellosem Zustand, weigerte sich aber, das Sprechzimmer zu betreten. Ich setzte Staubwischen auf die lange Liste der Dinge, die ich eigentlich tun sollte, machte aber keine Anstalten, mich auf die Suche nach einem Staubtuch zu begeben.
Seufzend stand ich auf und überquerte den Flur. Jamie saß an seinem Schreibtisch, spielte mit einem Federkiel und starrte auf einen halb fertigen Brief. Er legte den Gänsekiel hin, als er mich sah, und lächelte.
»Wie geht es, Sassenach?«
»Gut«, sagte ich, und er nickte, als nähme er mir das ab. Sein Gesicht war von Falten der Anspannung durchzogen, und ich wusste, dass es ihm ebenso wenig gut ging wie mir. »Ich habe Ian den ganzen Tag noch nicht gesehen. Hat er etwas davon gesagt, dass er vorhatte zu gehen?« Zu den Cherokee, meinte ich. Kein Wunder, wenn er aus Fraser’s Ridge fort wollte; es musste ihn schon genug Kraft gekostet haben, überhaupt so lange zu bleiben und die Blicke, das Gemurmel – und die offenen Bezichtigungen zu ertragen.
Jamie nickte erneut und stellte den Kiel in sein Gefäß.
»Aye, ich habe ihm gesagt, er soll gehen. Es wäre sinnlos gewesen, wenn er noch geblieben wäre; es würde nur noch mehr Prügeleien geben.« Ian erzählte zwar nichts von den Auseinandersetzungen, war aber mehr als einmal mit Kampfspuren übersät zum Abendessen aufgetaucht.
»Nun denn. Dann sage ich es besser Mrs. Bug, bevor sie mit dem Kochen anfängt.« Dennoch machte ich keine Anstalten aufzustehen, denn ich fand zumindest ein wenig Trost in Jamies Gegenwart, eine kleine Pause von der konstanten Erinnerung an das kleine, blutige Gewicht in meinem Schoß, reglos wie ein Fleischklumpen – und an den Anblick von Malvas Augen, die so überrascht gewesen waren.
Ich hörte Pferde im Hof, gleich mehrere. Ich sah Jamie an, der die Augenbrauen hochzog und den Kopf schüttelte. Dann erhob er sich, um die Besucher zu begrüßen, wer auch immer sie waren. Ich folgte ihm durch den Flur, wischte mir die Hände an der Schürze ab und revidierte im Geiste die Speisekarte für das Abendessen für mindestens zwölf Gäste, dem Wiehern und Stimmengemurmel nach, das ich auf dem Hof hörte.
Jamie öffnete die Tür und erstarrte. Ich lugte ihm über die Schulter und spürte, wie mich der Schrecken ergriff. Reiter, schwarz im Gegenlicht der sinkenden Sonne, und in diesem Moment stand ich wieder auf der Whiskylichtung, schweißnass und nur mit meinem Hemd bekleidet.
Jamie hörte mich nach Luft schnappen und schob mich mit der Hand nach hinten.
»Was wollt Ihr, Brown?«, sagte er und klang beinahe unfreundlich.
»Wir sind hier, um Eure Frau zu holen«, sagte Richard Brown. Es lag ein unmissverständlicher Unterton der Schadenfreude in seiner Stimme; bei diesem Klang stellten sich an meinem ganzen Körper vor Kälte die Haare auf, und schwarze Flecken schwebten in mein Gesichtsfeld. Ich spürte meine Füße kaum, als ich einige Schritte zurücktrat, und klammerte mich an die Türklinke meines Sprechzimmers, um mich zu stützen.
»Nun, dann zieht Ihr besser Eures Weges«, erwiderte Jamie in unverändert unfreundlichem Ton. »Ihr habt nichts mit meiner Frau zu schaffen und sie ebenso wenig mit Euch.«
»Ah, nun, da irrt Ihr Euch, Mister Fraser.« Mein Gesichtsfeld war wieder frei, und ich sah, wie er sein Pferd dichter an die Eingangstreppe trieb. Er
beugte sich nieder, um einen Blick durch die Tür zu werfen, und offenbar sah er mich, denn er lächelte ausgesprochen unangenehm.
»Wir sind hier, um Eure Frau festzunehmen wegen hinterhältigen Mordes.«
Jamies Hand, die immer noch die Türkante umklammert hielt, spannte sich an, und er richtete sich langsam zu voller Größe auf und schien dabei gleichzeitig breiter zu werden.
»Ihr werdet mein Land verlassen, Sir«, sagte er, und seine Stimme war so leise geworden, dass sie gerade eben das
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