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Ein Hauch von Schnee und Asche

Ein Hauch von Schnee und Asche

Titel: Ein Hauch von Schnee und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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das sich wachsender Ekel mischte, als er hörte, welchen Verbrechens ich bezichtigt wurde. Ich versuchte erst gar nicht, zu leugnen oder mich zu verteidigen; das Zimmer schwamm vor meinen Augen, und es bedurfte meiner ganzen Konzentration zu verhindern, dass meine Knie nachgaben.
    Den Großteil des Wortwechsels zwischen Brown und dem Sheriff hörte ich kaum. Schließlich jedoch, kurz bevor man mich ins Haus führte, fand ich plötzlich Tom Christie an meiner Seite.
    »Mrs. Fraser«, sagte er sehr leise. »Glaubt mir, er ist in Sicherheit. Ich möchte seinen Tod nicht auf dem Gewissen haben – genauso wenig wie den Euren.« Er sah mich direkt an, zum ersten Mal seit… Tagen? Wochen?… und ich fand die Intensität seiner grauen Augen verstörend und seltsam tröstend zugleich.
    »Vertraut auf Gott«, flüsterte er. »Er wird den Gerechten aus jeder Gefahr helfen.« Und mit einem plötzlichen, festen und unerwarteten Händedruck war er fort.
     
    Was Knäste aus dem achtzehnten Jahrhundert angeht, so hätte es schlimmer sein können. Das Frauenquartier bestand aus einem kleinen Raum an der Rückseite des Hauses, der ursprünglich wohl einmal eine Vorratskammer gewesen war. Die Wände waren grob verputzt, obwohl eine auf Flucht sinnende frühere Bewohnerin ein großes Stück Putz abgehämmert hatte, bevor sie entdeckte, dass sich darunter eine Lattenschicht verbarg und dahinter eine undurchdringliche Wand aus gebrannten Lehmziegeln, die mich sofort
mit ihrer neutralen Unzerstörbarkeit konfrontierte, als die Tür geöffnet wurde.
    Es gab kein Fenster, aber auf einem Wandvorsprung an der Tür brannte ein Öllämpchen, das einen schwachen Lichtkegel warf und den entmutigenden Ziegelfleck beleuchtete, die Zimmerecken jedoch im Schatten ließ. Ich konnte den Fäkalieneimer zwar nicht sehen, doch ich wusste, dass es einen gab; sein kräftiger, scharfer Geruch biss mir in die Nase, und ich begann, automatisch durch den Mund zu atmen, als mich der Sheriff ins Zimmer schubste.
    Die Tür schloss sich fest hinter mir, und ein Schlüssel knirschte im Schloss.
    In der Dunkelheit stand ein schmales Bett, auf dem ein großer Kloß unter einer fadenscheinigen Decke lag. Dieser Kloß ließ sich zwar Zeit, doch irgendwann regte er sich, setzte sich hin und entpuppte sich als kleine, pummelige Frau, die keine Haube trug und vom Schlaf noch ganz zerknittert war. Sie blinzelte mich an wie eine Feldmaus.
    »Ermp«, sagte sie und rieb sich die Augen mit den Fäusten wie ein Kleinkind.
    »Tut mir Leid, wenn ich Euch geweckt habe«, sagte ich höflich. Mein Herzschlag hatte sich inzwischen etwas verlangsamt, obwohl ich noch zitterte und kaum Luft bekam. Ich presste meine Hände flach an die Tür, damit sie zu zittern aufhörten.
    »Denkt Euch nichts dabei«, sagte sie und gähnte plötzlich wie ein Nilpferd, wobei sie ihre abgenutzten, aber brauchbaren Backenzähne zur Schau stellte. Sie blinzelte und schmatzte geistesabwesend mit den Lippen, dann langte sie neben sich auf den Boden und zog eine mitgenommene Brille hervor, die sie sich fest auf die Nase setzte.
    Ihre Augen, die durch die Brillengläser riesig vergrößert wurden, waren von Neugier erfüllt.
    »Wie heißt Ihr denn?«, fragte sie.
    »Claire Fraser«, sagte ich und beobachtete sie genau, für den Fall, dass auch sie schon von meinem angeblichen Verbrechen gehört hatte. Die Prellung auf meiner Brust, die der Stein hinterlassen hatte und die jetzt allmählich gelb wurde, war über der Kante meines Kleides noch gut zu sehen.
    »Oh?« Sie kniff die Augen zusammen, als versuchte sie, mich irgendwo einzuordnen, doch offenbar gelang ihr das nicht, denn sie gab achselzuckend auf. »Habt Ihr Geld dabei?«
    »Ein bisschen.« Jamie hatte mich gezwungen, beinahe das ganze Geld an mich zu nehmen: Es war nicht sehr viel, aber in jeder der Taschen, die ich mir um die Taille gebunden hatte, ruhte ein kleines Münzengewicht, und in meinem Korsett steckten ein paar Proklamationsnoten.
    Die Frau war um einiges kleiner als ich und gut gepolstert; sie hatte riesige Hängebrüste, und mehrere gemütliche Speckrollen wellten ihre korsettlose Taille; sie war im Hemd und hatte ihr Kleid und ihr Korsett an einen
Nagel an der Wand gehängt. Sie schien harmlos zu sein – und das Atmen fiel mir allmählich etwas leichter, da ich zu begreifen begann, dass ich fürs Erste in Sicherheit war, nicht länger von plötzlicher, willkürlicher Gewalt bedroht.
    Die andere Gefangene machte keine Anstalten, auf mich

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