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Ein Hauch von Schnee und Asche

Ein Hauch von Schnee und Asche

Titel: Ein Hauch von Schnee und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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letzten Mal gesehen hatte, ohne es zu ahnen: Jamie, Brianna, Jemmy, Roger, Ian. Genauso war es damals gewesen; ich hatte mich nicht einmal von Frank verabschiedet, hatte, als er an diesem Abend ging, nicht die geringste Ahnung gehabt, dass ich ihn nie wieder lebend zu Gesicht bekommen würde. Was, wenn …?
    Doch nein, dachte ich und klammerte mich fester an die hölzerne Reling, um mich wieder in den Griff zu bekommen. Wir würden einander wiederfinden. Wir hatten einen Ort, an den wir zurückkehren konnten. Zuhause. Und wenn ich am Leben blieb – was ich fest vorhatte -, würde ich nach Hause gehen.
    Der Maat hatte sein Teleskop zusammengeschoben und war gegangen; in meine morbiden Gedanken versunken, hatte ich seinen Aufbruch gar nicht bemerkt und schrak daher zusammen, als Major MacDonald neben mich trat.
    »Schade, dass die Cruizer keine Kanonen von großer Reichweite hat«, sagte er und wies kopfnickend auf das Fort. »Das würde diesen Barbaren wohl ihre Pläne durchkreuzen, wie?«
    »Was auch immer sie für Pläne haben mögen«, erwiderte ich. »Und wo wir gerade von Plänen sprechen -«
    »Ich habe dieses Zwicken im Bauch«, unterbrach er mich ausdruckslos. »Der Gouverneur meinte, Ihr hättet vielleicht eine Arznei dagegen.«
    »Ach ja?«, sagte ich. »Nun, kommt mit in die Kombüse; ich braue Euch etwas, das Euch bestimmt helfen wird.«
     
    »Wusstet Ihr, dass er Euch für eine Urkundenfälscherin hält?« MacDonald, der die Hände um einen Becher Tee gelegt hatte, wies mit einem Ruck seines Kopfes in die Richtung der Hauptkajüte. Der Gouverneur war nirgendwo in Sicht, und die Kajütentür war geschlossen.
    »Ja, das wusste ich. Weiß er es jetzt besser?«, fragte ich mit einem Anflug von Resignation.
    »Nun, aye.« MacDonald setzte eine entschuldigende Miene auf. »Ich vermute aber, dass er es schon wusste, sonst hätte ich nichts gesagt. Die Geschichte ist inzwischen bis Edenton bekannt, und die Flugblätter...«
    Ich tat das Thema mit einer Handbewegung ab.
    »Habt Ihr Jamie gesehen?«
    »Nein.« Er betrachtete mich mit einem Blick, in dem Neugier und Argwohn miteinander rangen. »Ich habe gehört… aye, nun ja, ich habe eine Menge Dinge gehört, und sie sind alle verschieden. Doch der Kern der Geschichte
ist, dass man Euch beide verhaftet hat, aye? Wegen Mordes an Mrs. Christie.«
    Ich nickte kurz. Ich fragte mich, ob ich mich wohl eines Tages an dieses Wort gewöhnen würde. Noch war sein Klang wie ein Boxhieb in die Magengrube, abrupt und brutal.
    »Muss ich Euch sagen, dass nichts Wahres daran ist?«, sagte ich unverblümt.
    »Absolut nicht, Ma’am«, versicherte er mir und gab sich alle Mühe, Vertrauen vorzutäuschen. Doch ich spürte, wie er zögerte, und sah den Seitenblick, neugierig und irgendwie eifernd. Eventuell würde ich mich eines Tages auch daran gewöhnen.
    Meine Hände waren kalt; ich legte sie ebenfalls um meinen Becher, um mich an seiner Wärme zu trösten, so gut es ging.
    »Ich muss meinem Mann eine Nachricht zukommen lassen«, sagte ich. »Wisst Ihr, wo er ist?«
    MacDonalds blassblaue Augen waren auf mein Gesicht gerichtet, und in seiner Miene lag jetzt nur noch höfliche Aufmerksamkeit.
    »Nein, Ma’am. Aber Ihr wisst es anscheinend?«
    Ich sah ihn scharf an.
    »Spielt nicht den Schüchternen«, wies ich ihn knapp an. »Ihr wisst genauso gut wie ich, was an Land vor sich geht – wahrscheinlich viel besser.«
    »Schüchtern.« Er spitzte belustigt die schmalen Lippen. »Ich glaube nicht, dass ich schon einmal so bezeichnet worden bin. Aye, ich weiß es. Und?«
    »Ich glaube, dass er möglicherweise in Wilmington ist. Ich habe versucht, John Ashe eine Nachricht zukommen zu lassen, und ihn gebeten, meinen Mann, wenn möglich, aus dem Gefängnis von Wilmington zu holen – wenn er überhaupt dort ist – und ihm zu sagen, wo ich bin. Aber ich weiß nicht -« Ich wies mit einer frustrierten Handbewegung auf das Ufer.
    Er nickte, und seine angeborene Vorsicht kämpfte mit seinem sichtbaren Wunsch, mich nach den blutigen Einzelheiten von Malvas Tod zu fragen.
    »Ich komme auf dem Rückweg durch Wilmington. Ich werde mich nach Möglichkeit erkundigen. Wenn ich Mr. Fraser finde – soll ich ihm irgendetwas mitteilen, über Euer gegenwärtiges Befinden hinaus?«
    Ich zögerte und überlegte. Ich hatte ein konstantes Zwiegespräch mit Jamie geführt, seit sie ihn von meiner Seite gerissen hatten. Doch nichts von dem, was ich in der Weite der schwarzen Nächte oder in der einsamen

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