Ein Hauch von Schnee und Asche
Henkersschlinge hinter mir zu lassen, dann würde ich mich darum sorgen.
Das Geräusch, mit dem sich die Tür der Hauptkajüte öffnete, ließ mich aufblicken. Der Gouverneur schloss sie hinter sich. Als er sich umdrehte, sah er uns und kam herbei, um sich nach MacDonalds vorgeblicher Unpässlichkeit zu erkundigen.
»Oh, es geht mir schon viel besser«, versicherte ihm der Major und legte eine Hand an die Weste seiner Uniform. Er rülpste zur Demonstration. »Mrs. Fraser hat großes Geschick mit solchen Dingen. Großes Geschick!«
»Oh, gut«, sagte Martin. Er machte jetzt einen etwas weniger gehetzten Eindruck als vorhin. »Dann wollt Ihr sicher zurück.« Er gab dem Soldaten am Fuß der Treppe ein Signal, und dieser tippte sich zur Bestätigung mit den Knöcheln an die Stirn und verschwand nach oben.
»Das Boot ist in ein paar Minuten für Euch bereit.« Der Gouverneur wies kopfnickend auf MacDonalds halb ausgetrunkenen Tee und verbeugte sich förmlich vor mir, dann wandte er sich ab und ging in die Kajüte des Schiffsarztes, wo ich ihn am Tisch stehen und einen stirnrunzelnden Blick auf den Haufen zerknitterter Papiere werfen sehen konnte.
MacDonald schluckte hastig seinen restlichen Tee und zog die Augenbrauen hoch, um mich einzuladen, ihn zum Oberdeck zu begleiten. Wir standen an Deck und warteten, während ein hiesiges Fischerboot vom Ufer zur Cruizer fuhr, als er mir plötzlich die Hand auf den Arm legte.
Das verblüffte mich; MacDonald war kein großer Freund beiläufiger Berührungen.
»Ich werde mein Äußerstes geben, um den Aufenthaltsort Eures Gatten herauszubekommen, Ma’am«, sagte er. »Allerdings kommt mir der Gedanke -« Er zögerte und musterte mich aufmerksam.
»Was?«, hakte ich vorsichtig nach.
»Ich sagte doch, dass ich eine Unmenge an Spekulationen gehört habe?«, sagte er vorsichtig. »Bezüglich des… ähm... des unglücklichen Ablebens von Miss Christie. Wäre es nicht… wünschenswert…, dass ich die Wahrheit erfahre, so dass ich böse Gerüchte mit Nachdruck zum Schweigen bringen kann, wenn sie mir begegnen?«
Ich war hin- und hergerissen zwischen Wut und Gelächter. Ich hätte wissen müssen, dass er die Neugier nicht zügeln konnte. Doch er hatte Recht; angesichts der Gerüchte, die mir zu Ohren gekommen waren – und ich wusste, dass dies nur ein Bruchteil des Geredes war, das sich im Umlauf befand -, war die Wahrheit sicherlich erstrebenswerter. Andererseits war ich mir absolut sicher, dass die Verbreitung der Wahrheit nichts dazu beitragen würde, die Gerüchte zum Schweigen zu bringen.
Und dennoch. Das Bedürfnis nach Gerechtigkeit war stark; ich verstand die armen Teufel, die noch am Galgen ihre Unschuld beteuerten – und ich hoffte sehr, dass ich nicht zu ihnen zählen würde.
»Schön«, sagte ich kühl. Der Erste Maat stand wieder an der Reling, um das Fort im Auge zu behalten, und er war in Hörweite, doch es spielte wohl keine Rolle, ob er es mitbekam.
»Die Wahrheit lautet folgendermaßen: Malva Christie war von irgendjemandem schwanger, doch anstatt den Namen des tatsächlichen Vaters preiszugeben, hat sie behauptet, es sei mein Mann gewesen. Ich weiß, dass dies nicht stimmt«, fügte ich hinzu und fixierte ihn mit bohrendem Blick. Er nickte mit leicht geöffnetem Mund.
»Ein paar Tage später bin ich in meinen Garten gegangen und habe die kleine – Miss Christie mit frisch durchgeschnittener Kehle in meinem Salatbeet gefunden. Ich dachte... es bestünde vielleicht eine Chance, ihr ungeborenes Kind zu retten...« Trotz meiner vorgetäuschten Tapferkeit zitterte meine Stimme ein wenig. Ich hielt inne und räusperte mich. »Es ist mir nicht gelungen. Das Kind kam tot zur Welt.«
Besser, nicht zu sagen, wie es zur Welt gekommen war; dieses aufwühlende Bild der zertrennten Bauchdecke und des schmutzigen Messers wollte ich dem Major nicht gern in den Kopf setzen, wenn es sich verhindern ließ. Ich hatte niemandem – nicht einmal Jamie – von dem schwachen Lebensfunken erzählt, jenem Kribbeln, das ich immer noch verborgen in den Händen hielt. Wenn ich sagte, dass das Kind lebend geboren worden war, erregte ich damit den Verdacht, es umgebracht zu haben, das wusste ich. Manche würden das sowieso denken, so wie es Mrs. Martin ja eindeutig getan hatte.
MacDonalds Hand lag noch auf meinem Arm; sein Blick hing an meinem Gesicht. Ausnahmsweise war ich froh über meine transparenten Gesichtszüge;
niemand, der mein Gesicht beobachtete, zweifelte je an
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