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Ein Hauch von Schnee und Asche

Ein Hauch von Schnee und Asche

Titel: Ein Hauch von Schnee und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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erzählt habt, den – den Keimen. Das hat sie sehr interessiert. Sie hat es mir erzählt, als ich sie mit den Knochen erwischt habe.«
    »Was für Knochen?«, fragte ich, und ein Eissplitter fuhr mir über den Rücken.
    »Die Knochen, die sie aus Ephraims Grab gestohlen hat, um ihren Zauber über Euren Mann zu legen. Sie hat sie nicht alle benutzt, und ich habe sie später in ihrem Handarbeitskorb gefunden. Ich habe sie geschlagen, und da hat sie es mir erzählt.«
    Sie war es gewohnt, auf der Suche nach essbaren Pflanzen und Kräutern allein durch den Wald zu wandern und hatte dies auch auf dem Höhepunkt der Durchfallepidemie getan. Und auf einer dieser Wanderungen war sie auf die Hütte des Sündentilgers gestoßen, jenes seltsamen, verkrüppelten Mannes. Sie hatte ihn dem Tode nah angetroffen, vor Fieber glühend und im Koma, und während sie noch dastand und sich fragte, ob sie Hilfe holen oder einfach nur weglaufen sollte, war er tatsächlich gestorben.
    Woraufhin ihr eine Idee gekommen war und sie das Wissen, das ich ihr sorgfältig beigebracht hatte, angewendet hatte – sie hatte der Leiche Blut und Schleim entnommen, beides mit etwas Brühe vom Kessel auf dem Herd in ein Fläschchen gefüllt und es in ihrem Korsett mit ihrer Körperwärme genährt.
    Und hatte ihrem Vater und mir ein paar Tropfen dieser tödlichen Mischung ins Essen geschmuggelt, in der Hoffnung, dass im Fall einer Erkrankung unser Tod als Teil der Seuche durchgehen würde, die Fraser’s Ridge plagte.
    Meine Lippen fühlten sich steif und blutleer an.
    »Seid Ihr Euch da sicher?«, flüsterte ich. Er nickte, ohne weitere Überzeugungsversuche zu unternehmen, und das allein überzeugte mich schon davon, dass er die Wahrheit sagte.
    »Sie wollte – Jamie?«, fragte ich.
    Er schloss einen Moment die Augen; die Sonne ging jetzt auf, und ihr Licht befand sich zwar in unserem Rücken, doch das Wasser reflektierte es wie ein glänzender Silberteller.
    »Sie… wollte«, sagte er schließlich. »Sie gierte. Gierte nach Reichtum, nach gesellschaftlicher Bedeutung, nach dem, was sie für Freiheit hielt, ohne die Zügellosigkeit darin zu sehen – denn sehen konnte sie nie!« Er sprach mit plötzlicher Heftigkeit, und mir kam der Gedanke, dass Malva nicht die Einzige gewesen war, die die Dinge nicht so gesehen hatte wie er.
    Doch sie hatte Jamie begehrt, ob nun um seiner selbst willen oder wegen seines Besitzes. Und als ihr Liebeszauber keine Wirkung gezeigt hatte und
die Epidemie ausbrach, hatte sie einen direkteren Weg ans Ziel ihrer Wünsche gewählt. Ich konnte das noch nicht fassen – und doch wusste ich, dass es die Wahrheit war.
    Und als sie dann unpassenderweise feststellte, dass sie schwanger war, war ihr ein neuer Gedanke gekommen.
    »Wisst Ihr, wer der Vater wirklich war?«, fragte ich, und der Gedanke an den sonnendurchfluteten Garten und die beiden viel zu jungen Leichen schnürte mir – wie er es wohl immer tun würde – die Kehle zu. Was für eine Verschwendung.
    Er schüttelte den Kopf, wich aber meinem Blick aus, und ich begriff, dass er zumindest eine Ahnung hatte. Doch er wollte es mir nicht sagen, und es spielte jetzt wohl auch keine Rolle. Und der Gouverneur würde bald aufstehen, bereit, ihn zu empfangen.
    Er hörte die Geräusche unter Deck gleichfalls und holte tief Luft.
    »Ich konnte nicht zulassen, dass sie so viele Leben zerstörte; konnte sie nicht mit ihrem schändlichen Tun fortfahren lassen. Denn irrt Euch nicht, sie war eine Hexe; dass es ihr nicht gelungen ist, Euch oder mich umzubringen, war reines Glück. Irgendjemanden hätte sie noch umgebracht. Vielleicht Euch, wenn Euch Euer Mann nicht aufgab. Vielleicht ihn, in der Hoffnung, seinen Besitz für ihr Kind zu erben.« Er holte krampfhaft und schmerzvoll Luft.
    »Sie war kein Kind meiner Lenden, und doch – sie war meine Tochter, mein Blut. Ich konnte nicht… konnte nicht zulassen… Ich hatte die Verantwortung.« Er brach ab, denn er konnte nicht zu Ende sprechen. Damit, so dachte ich, sprach er die Wahrheit. Und doch …
    »Thomas«, sagte ich entschlossen, »das ist Unsinn, und das wisst Ihr auch.«
    Er sah mich überrascht an, und ich sah, dass Tränen in seinen Augen standen. Er kniff die Augen zu und antwortete leidenschaftlich.
    »Meint Ihr? Ihr wisst gar nichts, gar nichts!«
    Er merkte, wie ich zusammenzuckte, und senkte den Blick. Dann streckte er umständlich die Hand aus und ergriff die meine. Ich spürte die Narben meiner Operation, die

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