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Ein Hauch von Schnee und Asche

Ein Hauch von Schnee und Asche

Titel: Ein Hauch von Schnee und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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gerade erst aufgestanden war, sah er todmüde aus, was allerdings kein Wunder war. Wahrscheinlich hatte er tagelang gar nicht geschlafen – erst die Suche nach mir, dann der Brand von Fort Johnston und schließlich die Ereignisse, die zu meiner Freilassung von der Cruizer führten. Bei dem Gedanken daran spürte ich, wie sich ein Schatten auf mein Gemüt legte, trotz der Freude, mit der ich beim Erwachen realisiert hatte, dass ich frei war, an Land und bei Jamie.
    »Leg dich hin«, wiederholte ich. Ich wälzte mich auf ihn zu und legte ihm eine Hand auf den Rücken. »Es dämmert doch gerade erst. Warte wenigstens das Frühstück ab; du kannst doch nicht reisen, ohne zu schlafen und zu essen.«
    Er blinzelte zum Fenster, dessen Läden geschlossen waren; die Ritzen hatten sich zu erhellen begonnen, weil draußen das Licht zunahm, doch ich hatte Recht; unter uns deutete noch kein Geräusch darauf hin, dass Feuer geschürt wurden oder Töpfe klapperten. Da kapitulierte er plötzlich, ließ sich langsam zur Seite sinken und konnte einen Seufzer nicht unterdrücken, als sich sein Kopf wieder auf das Kissen legte.
    Er protestierte weder, als ich die zerschlissene Decke über ihn warf, noch
als ich mich an ihn schmiegte, einen Arm um seine Hüfte legte und meine Wange an seinen Rücken drückte. Er roch immer noch nach Rauch, obwohl wir uns beide gestern Abend hastig gewaschen hatten, bevor wir ins Bett fielen und in den kostbaren Schlaf sanken.
    Ich konnte spüren, wie müde er war. Auch mir tat noch alles vor Erschöpfung weh – und von den Klumpen in der Wollfüllung der flach gelegenen Matratze. Ian hatte mit Pferden gewartet, als wir an Land kamen, und wir waren so weit geritten, wie wir konnten, bevor es dunkel wurde. Schließlich waren wir in einem entlegenen, baufälligen Wirtshaus abgestiegen, einem einfachen Rastplatz für Fuhrleute auf dem Weg zur Küste.
    »Malcolm«, hatte er mit leisem Zögern gesagt, als ihn der Wirt nach seinem Namen fragte. »Alexander Malcolm.«
    »Und Murray«, hatte Ian gesagt, während er sich gähnend die Rippen kratzte. »John Murray.«
    Der Wirt hatte genickt; es interessierte ihn nicht besonders. Es gab keinen Grund, warum er drei unauffällige, erschöpfte Reisende mit einem berüchtigten Mordfall in Verbindung bringen sollte – und doch hatte ich gespürt, wie die Panik in mir aufstieg, als er mich musterte.
    Ich hatte Jamies Zögern gespürt, als er diesen Namen angab; seinen Widerwillen, erneut einen der Decknamen zu benutzen, unter denen er einst gelebt hatte. Er legte Wert auf seinen Namen, mehr als die meisten anderen Menschen – ich hoffte nur, dass er mit der Zeit auch wieder etwas wert sein würde.
    Vielleicht konnte Roger ja helfen. Er würde inzwischen ein richtiger Pastor sein, dachte ich und lächelte bei diesem Gedanken. Er hatte eine echte Gabe, die Unstimmigkeiten unter den Bewohnern von Fraser’s Ridge zu glätten, Streit zu schlichten – und durch die zusätzliche Autorität, die ihm die Ordination verlieh, würde sein Einfluss weiter zunehmen.
    Es würde schön sein, ihn wiederzuhaben. Und Brianna und Jemmy wiederzusehen – ich verspürte einen Moment der Sehnsucht nach ihnen, obwohl wir sie ja bald sehen würden; wir hatten vor, über Cross Creek zu reisen und sie unterwegs mitzunehmen. Doch natürlich hatten weder Brianna noch Roger die geringste Ahnung von den Ereignissen der letzten drei Wochen – oder davon, wie das Leben danach ablaufen würde.
    Die Vögel draußen in den Bäumen stimmten jetzt ihr Konzert an; nach dem unablässigen Krächzen der Möwen und Seeschwalben, das das Hintergrundgeräusch des Lebens auf der Cruizer bildete, war dies ein angenehmer Klang, eine vertraute Unterhaltung, die in mir plötzlich die Sehnsucht nach Fraser’s Ridge weckte. Ich verstand Jamies drängenden Wunsch, nach Hause zu kommen – trotz des Wissens, dass das, was wir dort vorfinden würden, nicht dasselbe Leben wie vor unserer Abreise sein würde. Die Christies würden zum Beispiel nicht mehr da sein.

    Ich hatte noch keine Gelegenheit gehabt, Jamie nach den Einzelheiten meiner Rettung auszufragen; kurz vor Sonnenuntergang hatte man mich endlich an Land gebracht, und wir waren sofort losgeritten, weil Jamie so viel Abstand wie möglich zwischen mich und Gouverneur Martin bringen wollte – und vermutlich Tom Christie.
    »Jamie«, sagte ich leise und atmete warm in sein Hemd. »Hast du ihn dazu gebracht, es zu tun? Tom?«
    »Nein.« Seine Stimme war ebenfalls

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