Ein Hauch von Schnee und Asche
leise. »Er ist in Fergus’ Druckerei gekommen, einen Tag, nachdem du den Palast verlassen hattest. Er hatte davon gehört, dass das Gefängnis abgebrannt war -«
Ich setzte mich erschrocken im Bett auf.
»Was? Das Haus von Sheriff Tolliver? Das hat mir ja niemand erzählt.«
Er drehte sich auf den Rücken und sah zu mir auf.
»Ich gehe nicht davon aus, dass irgendjemand, mit dem du dich in den letzten ein oder zwei Wochen unterhalten hast, davon wusste«, sagte er nachsichtig. »Es ist niemand dabei umgekommen, Sassenach – ich habe gefragt.«
»Bist du sicher?«, fragte ich und dachte beklommen an Sadie Ferguson. »Wie ist es denn passiert? Ein Pöbel?«
»Nein«, sagte er und gähnte. »Nach dem, was ich gehört habe, hat sich Mrs. Tolliver sinnlos betrunken, hat am Waschtag ihr Feuer zu kräftig gestocht, sich in den Schatten gelegt und ist eingeschlafen. Der Holzhaufen ist eingestürzt, die Funken haben das Gras in Brand gesetzt, es ist auf das Haus übergesprungen und...« Er tat den Rest mit einer Handbewegung ab. »Aber der Nachbar hat den Rauch gerochen und ist rechtzeitig hinüber gelaufen, um Mrs. Tolliver und das Kind in Sicherheit zu bringen. Sonst war niemand im Haus, sagt er.«
»Oh. Nun dann…« Ich ließ mich von ihm überreden, mich wieder hinzulegen, so dass mein Kopf an seiner Schulter ruhte. Ich konnte mich bei ihm nicht fremd fühlen, nicht, nachdem ich die Nach dicht an ihn gepresst in dem schmalen Bett verbracht hatte, wo sich jeder noch der kleinsten Bewegung des anderen bewusst war. Doch ich war mir seiner sehr bewusst.
Und er sich meiner; er hatte den Arm um mich gelegt, und seine Finger erkundeten unbewusst meinen Rücken und lasen mich wie Blindenschrift, während wir uns unterhielten.
»Nun denn, Tom. L’Oignon war ihm natürlich bekannt, also ist er dort hingegangen, als er herausfand, dass du aus dem Gefängnis verschwunden warst. Zu diesem Zeitpunkt warst du natürlich auch schon aus dem Palast fort – es hatte ihn einige Zeit gekostet, sich von Richard Brown zu trennen, ohne Verdacht zu erregen. Doch er hat uns dort gefunden und mir gesagt, was er vorhatte.« Seine Finger streichelten meinen Nacken, dessen Verspannung sich jetzt zu lösen begann. »Ich habe ihn gebeten zu warten; ich wollte erst selbst versuchen, dich zurückzubekommen – aber wenn es mir nicht gelang...«
»Dann weißt du also, dass er es nicht getan hat.« Dies war keine Frage. »Hat er dir gesagt, dass er es war?«
»Er hat nur gesagt, dass er sich still verhalten hat, solange noch eine Chance bestand, dass du vor Gericht gestellt und freigesprochen wurdest – aber hätte er je das Gefühl gehabt, dass du dich in unmittelbarer Gefahr befindest, hätte er sich sofort zu Wort gemeldet; daher hat er auch darauf bestanden, uns zu begleiten. Ich, äh, wollte ihm keine Fragen stellen«, sagte er vorsichtig.
»Aber er hat es doch nicht getan«, beharrte ich. »Jamie, du weißt , dass er es nicht getan hat!«
Ich spürte, wie sich seine Brust unter mir hob, als er einatmete.
»Ich weiß«, sagte er leise.
Wir schwiegen eine Weile. Draußen erscholl plötzlich ein gedämpftes Rattern, und ich fuhr zusammen – doch es war nur ein Specht, der im wurmverseuchten Holz des Wirtshauses Insekten suchte.
»Glaubst du, sie werden ihn hängen?«, fragte ich schließlich und blickte zu den geborstenen Deckenbalken auf.
»Davon gehe ich aus, aye.« Seine Finger hatten ihre halb unbewusste Wanderung wieder aufgenommen und strichen mir die Haarsträhnen hinter das Ohr. Ich lag still und lauschte dem langsamen Schlagen seines Herzens. Ich hätte die nächste Frage lieber nicht gestellt. Aber ich musste es tun.
»Jamie – sag mir, dass er es nicht -, dass er dieses Geständnis nicht für mich gemacht hat. Bitte.« Das würde ich, so glaubte ich, nicht ertragen können, nicht nach allem anderen, was geschehen war.
Seine Finger kamen zur Ruhe, berührten sacht mein Ohr.
»Er liebt dich. Das weißt du, aye?« Er sprach sehr leise. Ich hörte den Widerhall in seiner Brust genauso laut wie die Worte selbst.
»Das hat er mir gesagt.« Es schnürte mir die Kehle zu, mich an diesen unverhüllten grauen Blick zu erinnern. Tom Christie war ein Mensch, der sagte, was er meinte, und der meinte, was er sagte – ein Mensch wie Jamie, zumindest in dieser Hinsicht.
Jamie schwieg eine scheinbar endlose Zeit. Dann seufzte er und wandte den Kopf, so dass seine Wange an meinem Haar ruhte; ich hörte das leise Kratzen seines
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