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Ein Hauch von Schnee und Asche

Ein Hauch von Schnee und Asche

Titel: Ein Hauch von Schnee und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Gouverneur beliebte, ihn zu empfangen.
    Der Soldat, der dort postiert war, zögerte, doch es gab schließlich keine Order, die mir verbot, mich mit Besuchern zu unterhalten; er ließ mich durch.
    »Mr. Christie.« Er stand an der Reling und starrte zur Küste zurück, doch bei meinen Worten drehte er sich um.
    »Mrs. Fraser.« Er war sehr blass; sein grau melierter Bart sah im Kontrast dazu beinahe schwarz aus. Doch er hatte ihn geschnitten und sein Haar ebenfalls. Er sah zwar immer noch aus wie ein vom Blitz getroffener Baum, doch es war wieder Leben in seinen Augen, als er mich ansah.

    »Mein Mann -«, begann ich, doch er schnitt mir das Wort ab.
    »Es geht ihm gut. Er erwartet Euch am Ufer; Ihr werdet ihn bald sehen.«
    »Oh?« Das Brodeln der Angst und der Wut in meinem Inneren beruhigte sich ein wenig, als hätte jemand die Flamme klein gedreht, doch die Ungeduld kochte. »Nun, was zum Teufel geht hier vor, könnt Ihr mir das verraten?«
    Er musterte mich einen langen Moment schweigend, dann leckte er sich kurz die Lippen, wandte sich um und blickte über die Reling auf die glatte, graue Dünung. Dann richtete er seine Augen wieder auf mich und holte tief Luft, weil er sich offenbar für etwas wappnen musste.
    »Ich bin gekommen, um den Mord an meiner Tochter zu gestehen.«
    Ich starrte ihn einfach nur an, unfähig, mir einen Reim auf seine Worte zu machen. Dann setzte ich sie zu einem Satz zusammen, las ihn von der Tafel in meinem Kopf ab und verstand ihn schließlich.
    »Nein, das kann nicht sein«, sagte ich.
    Der leiseste Hauch eines Lächelns schien sich unter seinem Bart zu regen, wenn er auch wieder verschwand, kaum dass ich ihn gesehen hatte.
    »Ich sehe, dass Ihr immer noch so widerspenstig seid«, sagte er trocken.
    »Macht Euch keine Gedanken um mich«, sagte ich ausgesprochen unhöflich. »Seid Ihr verrückt geworden? Oder ist das hier Jamies neuester Plan? Denn falls es so ist -«
    Er gebot mir Einhalt, indem er mich am Handgelenk berührte; ich fuhr bei seiner Berührung auf, weil sie so unerwartet kam.
    »Es ist die Wahrheit«, sagte er ganz leise. »Das werde ich schwören, bei der Heiligen Schrift.«
    Ich stand da und fixierte ihn, ohne mich zu bewegen. Er erwiderte meinen direkten Blick, und ich begriff plötzlich, wie selten er mir bis jetzt in die Augen gesehen hatte; während unserer gesamten Bekanntschaft hatte er stets ausweichend den Blick abgewandt, als versuchte er, dem Eingeständnis zu entfliehen, dass ich existierte, selbst wenn es nicht zu vermeiden war, dass er mit mir sprach.
    Das war jetzt vorbei, und einen solchen Ausdruck hatte ich noch nie in seinen Augen gesehen. Schmerz und Leid hatten tiefe Furchen rings um sie gegraben, und Trauer beschwerte seine Lider – doch seine Augen selbst waren tief und ruhig wie die See unter uns. Das, was er auf unserem ganzen albtraumhaften Weg nach Süden ausgestrahlt hatte, diese Atmosphäre stummen Entsetzens und betäubenden Schmerzes, war von ihm gewichen und hatte der Entschlossenheit Platz gemacht – und noch etwas anderem, das tief in seinem Inneren brannte.
    »Warum?«, sagte ich schließlich, und er ließ mein Handgelenk los und trat einen Schritt zurück.
    »Könnt Ihr Euch erinnern« – dem Ton seiner Stimme nach hätte es Jahrzehnte zurückliegen können -, »dass Ihr mich einmal gefragt habt, ob ich Euch für eine Hexe halte?«

    »Ja«, erwiderte ich argwöhnisch. »Ihr habt gesagt -« Jetzt erinnerte ich mich in der Tat an diese Unterhaltung, und ein leichter Eishauch huschte mir über den Rücken. »Ihr habt gesagt, dass Ihr an Hexen glaubt – mich aber nicht für eine hieltet.«
    Er nickte, ohne die dunkelgrauen Augen von mir abzuwenden. Ich fragte mich, ob er im Begriff war, diese Meinung zu revidieren, doch anscheinend war das nicht der Fall.
    »Ich glaube an Hexen«, sagte er völlig sachlich und ernst. »Denn ich kenne sie. Das Mädchen war eine Hexe, genau wie ihre Mutter vor ihr.« Das eisige Kribbeln nahm zu.
    »Das Mädchen«, sagte ich. »Ihr meint Eure Tochter? Malva?«
    Er schüttelte sacht den Kopf, und seine Augen nahmen eine noch dunklere Farbe an. »Nicht meine Tochter«, sagte er.
    »Nicht – nicht von Euch? Aber – ihre Augen. Sie hatte doch Eure Augen.« Ich hörte mich das sagen und hätte mir auf die Zunge beißen können. Doch er lächelte nur grimmig.
    »Und die meines Bruders.« Er drehte sich zur Reling um und blickte über das Wasser zum Land. »Edgar war sein Name. Als der Aufstand kam und ich

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