Ein Hauch von Schnee und Asche
Ich bedaure so sehr, dass ich gehen muss – und dass es Euch nicht möglich war zu – nun ja.« Sowohl McCorkle als auch Reverend McMillan hatten versucht, ihn dazu zu bewegen, an der Ordinierung teilzunehmen. Doch er konnte es nicht. Konnte keine Stunde entbehren, um so etwas zu tun, konnte sich unmöglich auf eine solche Verpflichtung einlassen, solange er es nicht von ganzem Herzen tat – und sein Herz war zwar ungeteilt auf ein Ziel gerichtet, doch es war nicht Gott. Es war jetzt nur für eine Platz darin – Brianna.
»Nun, es ist zweifellos Gottes Wille«, sagte McCorkle und seufzte. »Eure Frau, MacKenzie? Gibt es keine Neuigkeiten von ihr?«
Er schüttelte den Kopf und bedankte sich murmelnd für ihr Mitgefühl und ihr Versprechen, für ihn und die sichere Rückkehr seiner Frau zu beten.
Er war viel zu besorgt, um großen Trost darin zu finden; dennoch berührte ihn ihre Güte, und er verabschiedete sich unter zahlreichen guten Wünschen.
Roger, Jamie und Ian gingen schweigend zu dem Wirtshaus zurück, in dem sie Claire zurückgelassen hatten.
»Nur aus Neugier, Ian, was hast du eigentlich mit Forbes’ Ohr gemacht?«, fragte Jamie, als sie auf die breite Straße einbogen, an der das Wirtshaus lag, und brach damit das Schweigen.
»Oh, das habe ich sicher aufbewahrt«, versicherte ihm Ian und klopfte auf den kleinen Lederbeutel an seinem Gürtel.
»Was in Gott …« Roger hielt abrupt inne, dann sprach er weiter. »Was hast du denn damit vor?«
»Es zu behalten, bis wir meine Cousine finden«, sagte Ian, den es zu überraschen schien, dass das nicht klar war. »Es wird helfen.«
»Ach?«
Ian nickte ernst.
»Wenn man sich an eine schwierige Aufgabe macht – als Kahnyen’ kehaka, meine ich -, sondert man sich normalerweise eine Weile ab, um zu fasten und um Beistand zu beten. Dazu haben wir natürlich jetzt keine Zeit. Aber wenn man das tut, sucht man sich oft einen Talisman aus – oder, um es richtig zu sagen, der Talisman sucht einen aus -« Er erzählte absolut ernst und nüchtern von dieser Prozedur, wie Roger feststellte.
»Und man trägt ihn während der Aufgabe bei sich, um die Aufmerksamkeit
der Geister an das zu binden, was man sich wünscht, und damit den Erfolg zu garantieren.«
»Verstehe.« Jamie rieb sich den Nasenrücken. Genau wie Roger schien er sich zu wundern, was die Mohawkgeister wohl von Neil Forbes’ Ohr halten würden. Ihre Aufmerksamkeit war einem damit wahrscheinlich gewiss. »Das Ohr … du hast es doch hoffentlich in Salz eingelegt?«
Ian schüttelte den Kopf.
»Nein, ich habe es gestern Abend über dem Küchenfeuer geräuchert. Mach dir keine Sorgen, Onkel Jamie; es wird schon nicht schlecht.«
Roger zog einen perversen Trost aus dieser Unterhaltung. Wenn der Presbyterianerklerus für sie betete und sie die Mohawk-Geister auf ihrer Seite hatten, hatten sie vielleicht eine Chance – doch es waren seine beiden Verwandten, die unerschütterlich und entschlossen rechts und links von ihm gingen, die seine Hoffnung nicht sterben ließen. Sie würden nicht aufgeben, bis Brianna gefunden war, ganz gleich, zu welchem Preis.
Zum tausendsten Mal, seit er es erfahren hatte, schluckte er den Kloß in seiner Kehle und dachte an Jemmy. Der Kleine war auf River Run in Sicherheit – doch wie konnte er Jem sagen, dass seine Mutter nicht mehr da war? Nun … er würde es ihm nicht sagen. Sie würden sie finden.
In dieser entschlossenen Stimmung betrat er als Erster die Braustube, doch schon wieder rief ihn jemand.
»Roger!«
Diesmal war es Claires Stimme, messerscharf vor Aufregung. Er drehte sich hastig um und sah sie von einer Bank im Schankraum aufstehen. Ihr gegenüber saßen eine rundliche junge Frau und ein schlanker junger Mann mit einem kurzen schwarzen Lockenkopf. Manfred McGillivray.
»Ich habe Euch schon vor zwei Tagen gesehen.« Manfred neigte entschuldigend den Kopf in Jamies Richtung. »Ich … äh … nun ja, ich habe mich versteckt, Sir, und ich bedaure es. Aber ich konnte es ja nicht wissen, bis Eppie aus Roanoke zurückgekommen ist und mir den Ring gezeigt hat …«
Der Ring lag auf dem Tisch, und der Rubin warf einen winzigen, stillen Lichtkegel auf die Tischplatte. Roger nahm ihn in die Hand und drehte ihn hin und her. Er hörte die Erklärungen kaum – dass Manfred mit der Hure zusammenlebte, die hin und wieder Ausflüge zu den Häfen in der Nähe von Edenton unternahm … und als er den Ring gesehen hatte, hatte er sein Schamgefühl überwunden
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