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Ein Hauch von Schnee und Asche

Ein Hauch von Schnee und Asche

Titel: Ein Hauch von Schnee und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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steigt, und ich weiß, dass es mich umbringen wird, aber ich kann mich einfach nicht bewegen.« Seine Hand klammerte sich krampfhaft an das Laken und zog es ihr weg.
    »Das Wasser ist grau und voller Schlamm, und es schwimmen blinde Wesen darin. Sie warten, bis die See mit mir fertig ist – und dann sind sie dran.«
    Sie konnte das Entsetzen in seiner Stimme hören und war hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, weiter von ihm wegzurücken, und der tief verwurzelten Angewohnheit, Trost zu spenden.
    »Es war nur ein Traum«, sagte sie schließlich und starrte zu den Deckplanken auf, die sich einen knappen Meter über ihr befanden. Wäre dies doch nur ein Traum!
    »O nein«, sagte er, und sein Stimme war jetzt kaum noch mehr als ein Flüstern neben ihr in der Dunkelheit. »O nein. Es ist die See selbst, die nach mir ruft.«
    Ganz plötzlich wälzte er sich zu ihr hin, packte sie und presste sie fest an sich. Sie keuchte auf und erstarrte, und er reagierte wie ein Hai auf ihre Gegenwehr, indem er noch fester zudrückte.
    Zu ihrem Schrecken spürte sie, wie sich Leroi erhob, und sie zwang sich, sich nicht zu bewegen. Die Panik und der Wunsch, seinem Traum zu entkommen, konnten ihn nur allzu leicht seine Abneigung gegen Sex mit Schwangeren vergessen lassen, und das war das Letzte, das Allerletzte …
    »Schhh«, sagte sie entschlossen, legte den Arm um seinen Kopf, so dass sein Gesicht an ihrer Schulter lag, und tätschelte ihn, streichelte ihm den Rücken. »Schh. Es wird alles gut. Es war nur ein Traum. Ich lasse nicht zu, dass etwas Schlimmes geschieht – ich lasse es nicht zu. Ruhig, ganz ruhig jetzt.«
    Sie fuhr fort, ihn zu tätscheln, schloss die Augen und versuchte, sich vorzustellen, dass sie Jemmy nach einem solchen Albtraum festhielt, in ihrer Hütte, wortlos, im Schein des fast heruntergebrannten Kaminfeuers, während sich Jems kleiner Körper vertrauensvoll entspannte, sie seinen süßen Kleinkindergeruch atmete …
    »Ich lass dich nicht ertrinken«, flüsterte sie. »Ich verspreche es. Ich lass dich nicht ertrinken.«
    Sie sagte es wieder und wieder und langsam, langsam beruhigte sich seine Atmung, und sein Griff lockerte sich, als ihn der Schlaf übermannte. Unablässig wiederholte sie es, ein leises, hypnotisches Murmeln, dessen Worte halb im Geräusch des Wassers untergingen, das an der Schiffswand entlangzischte,
und sie sprach nicht länger mit dem Mann an ihrer Seite, sondern mit dem Kind, das in ihr schlummerte.
    »Ich lasse nicht zu, dass dir etwas zustößt. Nichts kann dir etwas anhaben. Ich verspreche es.«

106
    Stelldichein
    Roger blieb stehen, um sich den Schweiß aus den Augen zu wischen. Er hatte sich ein zusammengefaltetes Halstuch um den Kopf gebunden, doch die Luftfeuchtigkeit in diesem dichten Marschwald war so hoch, dass sich der Schweiß in seinen Augenhöhlen sammelte, so dass ihm alles vor den beißenden Augen verschwamm.
    Aus der Entfernung eines Schankraums in Edenton hatte sie das Wissen, dass sich Bonnet auf Ocracoke befand – oder befinden würde – mit überschwänglicher Überzeugung erfüllt; plötzlich war ihre Suche auf eine winzige Sandbank beschränkt, statt der Millionen von anderen Orten, an denen sich der Pirat hätte befinden können; wie schwierig konnte es schon sein? Auf der verflixten Sandbank sah das Ganze schon anders aus. Die verfluchte Insel war zwar schmal, aber mehrere Meilen lang, über weite Strecken mit Krüppelwald bewachsen, und der Großteil ihrer Küste war mit verborgenen Riffen und gefährlichen Strömungen gespickt.
    Der Skipper des Fischerboots, das sie gemietet hatten, hatte sie zügig hergebracht; dann hatten sie zwei Tage damit verbracht, der Länge nach an dem verdammten Eiland entlangzusegeln und es nach möglichen Landeplätzen, wahrscheinlichen Piratenverstecken und Herden von Wildpferden abzusuchen. Bis jetzt war nichts dergleichen aufgetaucht.
    Nachdem er lange genug würgend über der Reling gehangen hatte – Claire hatte ihre Akupunkturnadeln nicht dabei, da sie nicht geahnt hatte, dass sie sie brauchen würde -, hatte Jamie darauf bestanden, dass man ihn an Land setzte. Er würde die Insel der Länge nach abschreiten und dabei ein Auge auf alles Ungewöhnliche haben. Bei Sonnenuntergang konnten sie ihn wieder an Bord nehmen.
    »Und wenn du ganz allein auf Stephen Bonnet triffst?«, hatte Claire gefragt, als er sich weigerte zuzulassen, dass sie ihn begleitete.
    »Ich lasse mich lieber durchbohren, als mich zu Tode zu reihern«,

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