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Ein Hauch von Schnee und Asche

Ein Hauch von Schnee und Asche

Titel: Ein Hauch von Schnee und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Wolken von Seeschwalben und Möwen umherzogen; sie konnten nicht weit vom Land entfernt sein. Wie lange noch, zum Kuckuck, bis es Neumond war?

105
    Der verlorene Sohn
    Es war nicht schwierig, jemanden zu finden, der mit der Anemone und ihrem Kapitän vertraut war. Stephen Bonnet war auf den Docks von Edenton bestens bekannt, obwohl sein Ruf unterschiedlich beurteilt wurde. Ein ehrlicher Kapitän, war die vorherrschende Meinung, der aber hart verhandelte. Ein Blockadebrecher, ein Schmuggler, sagten andere – und ob das gut oder schlecht war, hing von der politischen Meinung des jeweiligen Gesprächspartners ab. Er besorgte einem alles, sagte man – wenn es entsprechend bezahlt wurde.
    Pirat, sagten einige. Aber diese wenigen sprachen in gedämpftem Tonfall, blickten sich häufig um und baten mit Nachdruck darum, nicht zitiert zu werden.
    Die Anemone war ganz unverhohlen abgesegelt, mit einer anständigen Fracht aus Reis und fünfzig Fässern Räucherfisch. Roger hatte einen Mann gefunden, der sich daran erinnerte, wie die junge Frau mit einem von Bonnets Helfershelfern an Bord gegangen war. »Ein hoch aufgeschossenes Weibsstück,
flammendes Haar, das ihr lose bis auf den Hintern hing«, hatte der Mann gesagt und mit den Lippen geschmatzt. »Aber Mr. Bonnet ist ja selbst nicht der Kleinste; schätze, er bekommt sie schon gebändigt.«
    Allein Ians Hand auf seinem Arm hatte ihn davon abgehalten, dem Mann einen Fausthieb zu verpassen.
    Was sie noch nicht gefunden hatten, war jemand, der mit Sicherheit wusste, wohin die Anemone unterwegs war.
    »London, glaube ich«, sagte der Hafenmeister zweifelnd. »Aber nicht direkt; sein Frachtraum ist noch nicht voll. Wahrscheinlich fährt er an der Küste entlang und handelt noch ein bisschen – segelt vielleicht von Charlestown nach Europa. Andererseits«, fügte der Mann hinzu und rieb sich das Kinn, »könnte es auch sein, dass er nach New England unterwegs ist. Furchtbar riskant, heutzutage irgendetwas nach Boston zu schmuggeln – aber das Risiko wert, wenn man es schafft. Reis und Räucherfisch dürften da oben ihr Gewicht in Gold wert sein, wenn man sie an Land bekommt, ohne dass einen die Marine aus dem Wasser pustet.«
    Jamie, der ein wenig blass dreinschaute, dankte dem Mann. Roger, den ein Knoten in der Kehle am Sprechen hinderte, nickte nur und folgte seinem Schwiegervater aus der Hafenmeisterei zurück auf die sonnigen Docks.
    »Und jetzt?«, fragte Ian und erstickte einen Rülpser. Er hatte die Hafenkneipen durchkämmt und hier und dort einem Tagelöhner ein Bier spendiert, der überlegt hatte, auf der Anemone anzuheuern oder sich mit einem ihrer Matrosen über ihr Ziel unterhalten hatte.
    »Das Beste, was mir einfällt, ist, dass du mit Roger Mac auf einem Schiff an der Küste entlang südwärts fährst«, sagte Jamie mit einem stirnrunzelnden Blick auf die Masten der Schaluppen und Paketboote, die schaukelnd vor Anker lagen. »Claire und ich könnten nach Norden fahren, Richtung Boston.«
    Roger, der immer noch nicht sprechen konnte, nickte. Es war alles andere als ein guter Plan, vor allem im Licht des störenden Einflusses, den der unerklärte Krieg auf den Schiffsverkehr hatte – doch sie alle hatten das Gefühl, irgendetwas tun zu müssen . Er fühlte sich, als kochte das Mark in seinen Knochen; er konnte es nur durch Bewegung löschen.
    Doch die Miete für ein kleines Schiff – oder auch nur ein Fischerboot – oder eine Fahrt auf einem Paketboot war teuer.
    »Aye, nun ja.« Jamie krümmte seine Finger in der Tasche, in der er nach wie vor den schwarzen Diamanten aufbewahrte. »Ich werde Richter Iredell einen Besuch abstatten; sicher kann er mir einen ehrlichen Bankier empfehlen, der mir im Voraus etwas für den Verkauf des Steins bezahlt. Aber lasst uns erst zu Claire gehen und es mit ihr besprechen.«
    Doch als sie sich von den Docks abwandten, rief eine Stimme nach Roger.
    »Mr. MacKenzie!«
    Als er sich umdrehte, sah er Reverend Dr. McCorkle, seinen Sekretär und
Reverend McMillan vor sich. Sie waren alle mit Gepäck beladen und starrten ihn an.
    Es folgte eine leicht verworrene Vorstellung – Jamie waren sie natürlich schon begegnet, als er Roger holen kam, Ian jedoch nicht – und dann eine etwas verlegene Pause.
    »Dann -« Roger räusperte sich, um sich an McCorkle zu wenden, »dann reist Ihr also ab, Sir? Auf die Westindischen Inseln?«
    McCorkle nickte, und Sorge sprach aus den Zügen seines großen, freundlichen Gesichts.
    »So ist es, Sir.

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