Ein Hauch von Schnee und Asche
geschubst zu werden. Gut, dachte Roger, langsam lernte er.
Er faltete das Papier auseinander und hielt eine große Granatbrosche in
Form eines Blumenstraußes in der Hand. Sie war ordentlich gearbeitet, aber ziemlich hässlich. Doch der Eindruck, den sie auf Forbes machte, war beträchtlich.
»Das würdet Ihr nicht tun. Das würde er nicht tun.« Der Anwalt starrte die Brosche in Rogers Hand an, und sein fettes Gesicht war blass geworden.
»Oh, ich denke, doch, falls Ihr Onkel Jamie meint«, sagte Ian Murray. »Er hängt an seiner Tochter, aye?«
»Unsinn.« Der Anwalt machte einen redlichen Versuch zu bluffen, doch er konnte den Blick nicht von der Brosche abwenden. »Fraser ist ein Gentleman.«
»Er ist Highlander«, sagte Roger schonungslos. »Wie Euer Vater, aye?« Er hatte einiges über Forbes senior gehört, der den Geschichten nach dem Henker nur um Haaresbreite entwischt war, als er aus Schottland flüchtete.
Forbes kaute auf seiner Unterlippe.
»Er würde einer alten Frau nichts zuleide tun«, sagte er mit aller gespielten Tapferkeit, die er aufbringen konnte.
»Ach, nein?« Ian zog seine dünnen Augenbrauen hoch. »Aye, vielleicht nicht. Möglich, dass er sie nur fortschickt – nach Kanada vielleicht? Ihr scheint ihn ja gut zu kennen, Mr. Forbes. Was meint Ihr?«
Der Anwalt trommelte mit den Fingern auf die Armlehne und atmete durch die Zähne, während er offenbar rekapitulierte, was er über Jamie Frasers Charakter und seinen Ruf wusste.
»Na schön«, sagte er plötzlich. »Na schön!«
Roger spürte, wie die Anspannung, die ihn durchlief, plötzlich abriss wie ein durchgeschnittener Draht. Er war gespannt gewesen wie ein Flitzebogen, seit Jamie ihn gestern Abend abgeholt hatte.
»Wo?«, sagte er atemlos. »Wo ist sie?«
»Sie ist in Sicherheit«, sagte Forbes heiser. »Ich hätte nie zugelassen, dass ihr etwas zustößt.« Er sah mit wildem Blick auf. »In Gottes Namen, ich würde ihr doch nichts antun!«
»Wo?« Roger hielt die Brosche fest umklammert, ohne sich darum zu kümmern, dass ihm ihre Kanten in die Hand schnitten. »Wo ist sie?«
Der Anwalt sackte zusammen wie ein halb voller Mehlsack.
»An Bord eines Schiffes namens Anemone .« Er schluckte krampfhaft und konnte den Blick nicht von der Brosche abwenden. »Sie sind nach England unterwegs – hat man mir gesagt. Aber ich sage Euch, sie ist in Sicherheit!«
Der Schreck verstärkte Rogers Umklammerung, und plötzlich spürte er glitschiges Blut an seinen Fingern. Er schleuderte die Brosche zu Boden und wischte sich die Hand an der Hose ab, während er nach Worten rang. Der Schreck hatte ihm auch die Kehle zugeschnürt; er fühlte sich dem Ersticken nah.
Ian, der ihn kämpfen sah, stand abrupt auf und drückte dem Anwalt das Messer an die Kehle.
»Wann sind sie abgesegelt?«
»Ich – ich -« Der Mund des Anwalts öffnete und schloss sich ziellos, und seine vortretenden Augen blickten hilflos von Ian zu Roger.
»Wo?« Roger zwang das Wort an der Blockade in seiner Kehle vorbei, und Forbes zuckte bei seinem Klang zusammen.
»Sie – sie ist hier an Bord gebracht worden. In Edenton. Vor – vor zwei Tagen.«
Roger nickte abrupt. In Sicherheit, sagte er. In Bonnets Händen. Zwei Tage in Bonnets Händen. Doch er war selbst unter Bonnet gesegelt, dachte er und versuchte, einen klaren Kopf zu behalten, vernünftig zu denken. Er wusste, wie der Mann arbeitete. Bonnet war Schmuggler; er würde erst nach England segeln, wenn sein Frachtraum voll war. Möglich – möglich -, dass er an der Küste entlangfuhr und kleinere Lieferungen an Bord nahm, bevor er sich aufs offene Meer wandte und die lange Reise nach England antrat.
Und wenn nicht – konnte man ihn möglicherweise noch einholen, mit einem schnellen Schiff.
Es war keine Zeit zu verlieren; die Leute auf den Docks wussten vielleicht, wohin die Anemone als Nächstes unterwegs war. Er wandte sich ab und trat einen Schritt auf die Tür zu. Dann durchspülte ihn eine rote Woge, und er fuhr herum und rammte Forbes mit aller Kraft die Faust ins Gesicht.
Der Anwalt stieß einen schrillen Schrei aus und fasste sich mit beiden Händen an die Nase. Jedes Geräusch im Wirtshaus und auf der Straße schien zu verstummen; die Welt stand still. Roger holte kurz und tief Luft, rieb sich die Fingerknöchel und nickte noch einmal.
»Komm«, sagte er zu Ian.
»Oh, aye.«
Roger war schon fast an der Tür, als er merkte, dass Ian nicht bei ihm war. Er blickte gerade im richtigen Moment
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