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Ein Hauch von Schnee und Asche

Ein Hauch von Schnee und Asche

Titel: Ein Hauch von Schnee und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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interessieren als zuvor der glitzernde Ring. Sie gurgelte und schlug wild mit beiden Händen, um ihn zu fassen zu bekommen.

    Brianna holte tief und halb erstickt Luft.
    »Vielleicht«, sagte sie im Tonfall eines Menschen, der genauso viel Angst wie Hoffnung empfindet. »Aber wir können es nicht mit Sicherheit sagen. Was, wenn ich – sie mitnehme, und ich komme durch, aber sie kann es nicht?«
    Sie sahen einander schweigend an, während sie sich diese Möglichkeit ausmalten.
    »Du würdest zurückkommen«, sagte Roger schroff und legte Brianna die Hand auf die Schulter. »Du würdest sofort zurückkommen.«
    Die Anspannung ihres Körpers ließ bei seiner Berührung ein wenig nach. »Ich würde es versuchen«, sagte sie und lächelte bemüht.
    Jamie räusperte sich.
    »Ist Jemmy hier?«
    Natürlich war er da; zurzeit entfernte er sich nie sehr weit von Brianna, weil er zu spüren schien, dass etwas nicht stimmte. Wir holten ihn aus Jamies Studierzimmer, wo er buchstabierend in einem Buch las, das -
    »Himmel, Arsch und Zwirn!«, entfuhr es seiner Großmutter, und sie entriss ihm das Buch. »Jamie! Wie konntest du nur?«
    Jamie spürte, wie er rot wurde. Wie konnte er, in der Tat? Er hatte das zerfledderte Exemplar von Fanny Hill eingetauscht, Teil eines ganzen Paketes mit gebrauchten Büchern, die er von einem Kesselflicker hatte. Er hatte sich die Bücher nicht angesehen, bevor er sie gekauft hatte, und als er dann dazu gekommen war … nun, es widersprach seinem Instinkt, ein Buch fortzuwerfen – ganz gleich, was für ein Buch.
    »Was heißt P-H-A-L-L-U-S?«, fragte Jemmy seinen Vater.
    »Es ist ein anderes Wort für Schwanz«, sagte Roger knapp. »Benutze es ja nicht. Hör zu – kannst du etwas hören, wenn du dein Ohr an diesen Stein hältst?« Er zeigte auf Jamies Ring, der auf dem Tisch lag. Jemmys Gesicht erhellte sich, als er ihn sah.
    »Klar«, sagte er.
    »Was, von da aus?«, fragte Brianna ungläubig. Jem blickte sich im Kreis seiner Eltern und Großeltern um, überrascht über ihr Interesse. »Klar«, wiederholte er. »Er singt.«
    »Meinst du, die kleine Mandy kann ihn auch singen hören?«, hakte Jamie vorsichtig nach. Sein Herz schlug heftig, solche Angst hatte er vor beiden möglichen Antworten.
    Jemmy hob den Ring auf, beugte sich über Mandys Korb und hielt ihn ihr direkt über das Gesicht. Sie strampelte energisch und krähte – ob allerdings wegen des Steins oder nur, weil sie ihren Bruder sah …
    »Sie kann ihn hören«, sagte Jem und lächelte seiner Schwester ins Gesicht.
    »Woher weißt du das?«, fragte Claire neugierig. Jem blinzelte überrascht zu ihr auf.
    »Das sagt sie doch.«

    Nichts war entschieden. Und doch war gleichzeitig alles entschieden. Ich hatte keinen Zweifel an dem, was meine Ohren und Finger mir sagten – Amandas Zustand verschlechterte sich allmählich. Ganz allmählich – möglich, dass es ein Jahr dauerte oder zwei, bis sich der Schaden wirklich zu zeigen begann -, doch es war unausweichlich.
    Vielleicht hatte Jem Recht, vielleicht auch nicht. Aber wir mussten bei unserer Planung davon ausgehen, dass er Recht hatte.
    Es gab Auseinandersetzungen, Diskussionen – Tränen. Noch keine Entscheidung, wer die Reise durch die Steine wagen sollte. Brianna und Amanda mussten gehen; das stand fest. Aber sollte Roger mitgehen? Oder Jemmy?
    »Ich lasse dich nicht ohne mich gehen«, sagte Roger mit zusammengebissenen Zähnen.
    »Ich will auch gar nicht ohne dich gehen«, rief Brianna verzweifelt. »Aber wie können wir Jemmy hier zurücklassen? Und wie können wir ihn dazu bringen zu gehen? Ein Baby – wir glauben, dass das funktionieren kann, weil es die Legenden sagen, aber Jem – wie soll er es schaffen? Wir können doch nicht riskieren, dass er ums Leben kommt!«
    Ich blickte die Steine auf dem Tisch an – Jamies Ring, meinen Beutel mit dem Saphir.
    »Ich glaube«, sagte ich vorsichtig, »dass wir noch zwei Steine auftreiben müssen. Nur vorsichtshalber.«
    Und so verließen wir Ende Juni den Berg und landeten mitten im Chaos.

115
    Finger aus der Nase!
    4. Juli 1776
     
    Es war stickig und heiß in dem Gasthauszimmer, aber ich konnte nicht hinaus; die kleine Amanda hatte sich endlich in den Schlaf geweint – sie hatte einen Ausschlag am Po, das arme Mädchen – und lag zusammengerollt in ihrem Korb, das Däumchen im Mund und die Stirn gerunzelt.
    Ich entfaltete das Moskitonetz aus Gaze und drapierte es sorgfältig über dem Korb, dann öffnete ich das Fenster.

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