Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Hauch von Schnee und Asche

Ein Hauch von Schnee und Asche

Titel: Ein Hauch von Schnee und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
Vom Netzwerk:
hatte eines aus Holz, dieses hier war aus Zinn; Brianna hatte es für mich gegossen.
    Allerdings war das Murmeln so deutlich zu hören, dass ich das Gefühl hatte, eigentlich gar kein Stethoskop zu brauchen. Kein Klicken oder falscher Schlag, keine zu lange Pause, kein Zischen wie aus einem Leck – ein Herz konnte eine ganze Reihe ungewöhnlicher Geräusche machen, und es abzuhören war stets der erste Schritt der Diagnose. Defekte des Vorhofs oder des Ventralnervs, Fehlbildungen der Herzklappen – sie alle haben ihr eigenes Murmeln, manchmal zwischen den Schlägen, manchmal unter die Herzgeräusche gemischt.
    Wenn sich der Ductus arteriosus nicht schließt, sagt man, er persistiert. Einen persistierenden Ductus arteriosus erkennt man an einem konstanten Rauschen, schwach, aber mit etwas Konzentration gut zu hören, vor allem in der supraklavikulären Gegend und am Hals.
    Zum hundertsten Mal in zwei Tagen beugte ich mich dicht über das Baby,
das Ohr fest an das Stethoskop gepresst, während ich damit über Amandas Brust und Hals wanderte und auf das Unwahrscheinliche hoffte, nämlich, dass das Geräusch verschwunden sein würde.
    Es war noch da.
    »Dreh dein Köpfchen, Schatz, ja, so ist es gut …«, hauchte ich und wandte ihren Kopf vorsichtig von mir ab. Es war schwierig, das Stethoskop in die Nähe ihres Kugelköpfchens zu bringen… da! Amanda stieß ein kleines Geräusch aus, das wie ein Kichern klang. Ich drehte ihren Kopf in die andere Richtung – das Geräusch ließ nach.
    »Oh, verflixt«, murmelte ich sehr leise, um ihr keine Angst zu machen. Ich legte das Stethoskop hin und hob sie auf, um sie mir an die Schulter zu legen. Wir waren allein; Brianna war nach oben in mein Zimmer gegangen, um ein Nickerchen zu machen, und alle anderen waren unterwegs.
    Ich trug sie zum Sprechzimmerfenster und schaute hinaus; es war ein herrlicher Frühlingstag in den Bergen. Die Zaunkönige nisteten wieder unter den Traufen; ich konnte über mir hören, wie sie mit Hölzchen raschelten und sich mit leisem, klarem Zirpen unterhielten.
    »Vögelchen«, sagte ich und hielt meine Lippen dicht an die filigrane Muschel ihres Ohrs. »Ganz schön lautes Vögelchen.« Sie wand sich träge und antwortete mir mit einem Furz.
    »Nun gut«, sagte ich und musste trotz allem lächeln. Ich hielt sie ein wenig von mir weg, so dass ich ihr ins Gesicht sehen konnte – wunderschön und perfekt, aber nicht mehr so wohlgenährt, wie es vor einer Woche bei ihrer Geburt gewesen war.
    Ich sagte mir, dass es völlig normal war, wenn ein Neugeborenes anfangs ein wenig Gewicht verlor. So war es auch.
    Manchmal gibt es für diese Art von Herzfehler, den persistierenden Ductus arteriosus, keine anderen Symptome als dieses merkwürdige, konstante Murmeln. Manchmal aber schon. Ein schwerer Fall raubt dem Kind den dringend benötigten Sauerstoff; Hauptsymptome sind Atemprobleme – Keuchen, hastige, flache Atmung, ungesunde Hautfarbe – und schlechtes Gedeihen, weil das ständige Ringen um genug Sauerstoff zu viel Energie verbraucht.
    »Lass Oma noch einmal horchen«, sagte ich und legte sie auf den Quilt, den ich über den Sprechzimmertisch gebreitet hatte. Sie gurgelte und strampelte, als ich das Stethoskop ergriff und es ihr noch einmal auf die Brust setzte und dann weiter wanderte, über Hals, Schulter, Arm …
    »Oh, Himmel«, flüsterte ich und schloss die Augen. »Bitte lass es nicht schlimm sein.« Doch das Murmeln schien lauter zu werden und meine Gebete zu übertönen.
    Als ich die Augen öffnete, sah ich Brianna in der Tür stehen.

    »Ich wusste, dass irgendetwas nicht stimmt«, sagte sie standhaft, während sie Mandy den Hintern mit einem feuchten Tuch abwischte, bevor sie sie frisch wickelte. »Sie trinkt nicht so, wie Jemmy es getan hat. Sie verhält sich so, als hätte sie Hunger, aber dann trinkt sie nur ein paar Minuten und schläft ein. Ein paar Minuten später wird sie dann wieder wach und quengelt.«
    Sie setzte sich hin und bot Mandy die Brust an, als wollte sie mir das Problem demonstrieren. Und wirklich, das Baby saugte sich fest, als wäre es dem Verhungern nah. Während es trank, ergriff ich eins seiner Fäustchen und faltete ihre Finger auseinander. Die kleinen Nägel waren schwach blau unterlaufen.
    »Also«, sagte Brianna, »und was jetzt?«
    »Ich weiß es nicht.« So lautete die Antwort, ehrlich gesagt, in den meisten Fällen – doch sie war natürlich unbefriedigend, und jetzt erst recht. »Manchmal gibt es gar keine

Weitere Kostenlose Bücher