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Ein Hauch von Schnee und Asche

Ein Hauch von Schnee und Asche

Titel: Ein Hauch von Schnee und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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die Schultern seines Rocks breiteten, von dem wiederum ein Ärmel halb abgerissen war, so dass der Stoff seines weißen Hemds durch den Saum lugte. Er war voller Staub, genau wie der Fisch, und während Letzterer seine Augen anklagend aufgerissen hatte, war eines von Jamies Augen fast vollständig zugeschwollen.
    »O Gott«, sagte ich und vergrub das Gesicht in meiner Hand, um durch deren gespreizte Finger zu ihm aufzublicken. »Sag’s mir nicht. Neil Forbes?«
    »Ach, nein«, sagte er und ließ den Fisch vor mir auf den Tisch klatschen. »Eine kleine Meinungsverschiedenheit mit der Wilmingtoner Marschsozietät.«
    »Eine Meinungsverschiedenheit«, wiederholte ich.
    »Aye, sie fanden, sie sollten uns in den Hafen werfen, und wir fanden das nicht.« Er drehte mit dem Stiefel einen Stuhl um und setzte sich mit verschränkten Armen rücklings darauf. Er sah geradezu unanständig fröhlich aus, und sein Gesicht war von der Sonne und vom Lachen gerötet.
    »Ich will es gar nicht wissen«, sagte ich, obwohl ich es selbstverständlich dringend wissen wollte. Ich sah Ian an, der ebenfalls leise vor sich hin kicherte, und bemerkte, dass er zwar etwas weniger mitgenommen wirkte als sein Onkel, dass er aber den Zeigefinger bis zum ersten Gelenk in der Nase stecken hatte.
    »Hast du Nasenbluten, Ian?«
    Er schüttelte nach wie vor giggelnd den Kopf. »Nein, Tante Claire. Ein paar von der Sozietät aber schon.«
    »Nun, warum hast du dann deinen Finger in der Nase? Hast du eine Zecke darin stecken oder so etwas?«
    »Nein, er will nicht, dass sein Gehirn herausfällt«, sagte Jamie und bekam
den nächsten Lachkrampf. Ich warf einen Blick auf den Korb, aber Mandy, die an Lärm gewöhnt war, schlief friedlich weiter.
    »Nun, dann steckst du dir am besten gleich zwei Finger in beide Nasenlöcher«, schlug ich vor. »Dann bekommst du wenigstens einmal ein oder zwei Minuten keinen Ärger.« Ich hob sein Kinn, um mir sein Auge besser betrachten zu können. »Du hast doch jemanden mit diesem Fisch geohrfeigt, oder?«
    Das Kichern war zu einer unterschwelligen Vibration zwischen den beiden abgeebbt, doch bei diesen Worten drohte es, erneut auszubrechen.
    »Gilbert Butler«, sagte Jamie, meisterhaft um Selbstbeherrschung bemüht. »Mitten ins Gesicht. Er ist über den ganzen Kai und dann ins Wasser geflogen.«
    Ians Schultern schüttelten sich ekstatisch bei dieser Erinnerung.
    »Himmel, das hat gespritzt! Oh, was für ein herrlicher Kampf, Tante Claire! Ich dachte, ich hätte mir am Kinn von einem der Kerle die Hand gebrochen, aber jetzt, wo sie nicht mehr taub ist, geht es schon wieder. Es kribbelt nur ein bisschen.« Er wackelte zur Demonstration mit drei Fingern seiner Hand und verzog dabei ein wenig das Gesicht.
    »Nimm doch den Finger aus der Nase, Ian«, sagte ich, und meine Aufregung über ihren Zustand wich jetzt der Verärgerung darüber, wie es dazu gekommen war. »Du siehst aus wie ein Idiot.«
    Aus irgendeinem Grund fanden sie das beide furchtbar komisch und gackerten los wie die Schwachsinnigen. Schließlich zog Ian seinen Finger jedoch hervor, allerdings mit einer Miene vorsichtigen Argwohns, als rechnete er tatsächlich damit, dass sein Gehirn hinterherkommen würde. Doch es kam gar nichts heraus, nicht einmal die unappetitlichen Exkretbröckchen, die man normalerweise nach einem solchen Manöver erwartete. Ian sah zuerst verwundert aus, dann schwach alarmiert. Er rümpfte die Nase, dann steckte er den Finger wieder in das Nasenloch und bohrte heftig darin.
    Jamie grinste weiter, doch seine Belustigung begann nachzulassen, als Ians Nachforschungen zunehmend hektischer wurden.
    »Was? Du hast ihn doch nicht verloren, oder, Junge?«
    Ian schüttelte stirnrunzelnd den Kopf.
    »Nein, ich spüre ihn. Aber …« Er hielt inne und warf Jamie über den vergrabenen Finger hinweg einen panischen Blick zu. »Er steckt fest, Onkel Jamie! Ich kriege ihn nicht heraus!«
    Jamie war blitzartig auf den Beinen. Er zog den Finger mit einem feuchten Sauggeräusch aus seinem Versteck, dann kippte er Ians Kopf nach hinten und blinzelte ihm mit seinem unverletzten Auge nervös in die Nase.
    »Hol mir ein Licht, Sassenach, ja?«
    Auf dem Tisch stand ein Kerzenständer, doch ich wusste aus Erfahrung, dass es nur eine wahrscheinliche Folge gab, wenn man eine Kerze benutzte, um jemandem in die Nase zu schauen, und zwar, ihm die Nasenhaare anzuzünden.
Stattdessen bückte ich mich und zog meine Arzttasche hervor, die ich unter der Kaminbank verstaut

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