Ein Hauch von Schnee und Asche
Hochzeitsporzellans. Das hat mich Mama nie spülen lassen, bis ich zehn wurde, weil sie Angst hatte, ich würde es fallen lassen, und als ich es endlich spülen durfte, war ich so stolz!
Ich kann immer noch jeden einzelnen Gegenstand in unserem Porzellanschrank im Wohnzimmer sehen: die handbemalte Kuchenplatte von Mamas Urgroßvater (er war Künstler, hat sie gesagt, und hat mit dieser Platte vor hundert Jahren einen Wettbewerb gewonnen), das Dutzend Kristallweingläser, die Papa von seiner Mutter geerbt hat, zusammen mit dem passenden Olivenschälchen und der handbemalten Tasse und Untertasse mit den Veilchen und dem Goldrand.
Ich habe vor dem Schrank gestanden und das Porzellan weggeräumt – aber wir haben das Porzellan gar nicht in diesem Schrank aufbewahrt; es stand auf dem Bord über dem Backofen – und das Wasser in der Küchenspüle ist übergelaufen und hat sich auf dem Boden verteilt und unter mir Pfützen gebildet. Dann hat es angefangen zu steigen, und ich bin durch die Küche gewatet. Durch meine Schritte ist das Wasser aufgespritzt und hat geglitzert wie das Kristallschälchen für die Oliven. Das Wasser ist höher und höher gestiegen, aber keiner schien sich Sorgen zu machen; ich jedenfalls nicht.
Das Wasser war warm, heiß sogar; ich konnte Dampf von der Oberfläche aufsteigen sehen.
Das war der ganze Traum – aber als ich heute Morgen aufgestanden bin, war das Wasser in der Schüssel so kalt, dass ich mir Wasser in einem Topf über dem Feuer heiß machen musste, bevor ich Jemmy gewaschen habe.
Während ich auf das Wasser über dem Feuer gewartet habe, musste ich die ganze Zeit an meinen Traum denken und an all diese Massen heißen, fließenden Wassers.
Was ich mich frage, ist folgendes: Diese Träume, die ich über die Zeit dann habe – sie kommen mir so real und detailliert vor; viel mehr als meine Träume von heute. Warum sehe ich Dinge, die nirgendwo existieren außer in meinem Kopf?
Was ich mich in Bezug auf die Träume frage, ist – all die neuen Erfindungen, die die Leute machen, wie viele davon werden von Menschen wie mir gemacht – Menschen wie uns? Wie viele »Erfindungen« sind in Wirklichkeit Erinnerungen an die Dinge, die uns einmal vertraut waren? Und – wie viele von uns gibt es?
»Eigentlich ist es gar nicht so schwierig, an fließendes Wasser zu kommen. Theoretisch.«
»Nein? Kann sein.« Roger hörte ihr nur halb zu, denn er konzentrierte sich ganz auf den Gegenstand, der unter seinem Messer Gestalt annahm.
»Ich meine, es einzurichten wäre eine gewaltige Anstrengung. Aber das Prinzip ist ganz simpel. Man legt Gräben an oder baut Fließrinnen – und in dieser Gegend wären es wahrscheinlich Rinnen …«
»Wirklich?« Jetzt kam der knifflige Teil. Er hielt den Atem an und meißelte vorsichtig winzig kleine Holzspäne von seinem Werkstück ab, einen nach dem anderen.
»Nicht aus Metall«, sagte Brianna geduldig. »Wenn man Metall hätte, könnte man überirdische Rohrleitungen legen. Aber ich wette, es gibt in ganz North Carolina nicht genug Metall, um die Rohre herzustellen, die man brauchen würde, um Wasser vom Bach bis zum Haupthaus zu befördern. Von einem Dampfkessel ganz zu schweigen. Und wenn, dann würde es ein Vermögen kosten.
»Mmm.« Weil er das Gefühl hatte, dass dies eventuell keine angemessene Erwiderung war, fügte Roger hastig hinzu: »Aber es gibt doch Metall. Jamies Destillierapparat zum Beispiel …«
Seine Frau schnaubte verächtlich.
»Klar. Ich habe ihn gefragt, woher er ihn hat – er sagt, er hat ihn beim Pokerspiel gegen einen Schiffskapitän in Charleston gewonnen. Meinst du, ich könnte vierhundert Meilen weit reisen, um mein Silberarmband gegen einige zig Meter gewalztes Kupfer zu setzen?«
Noch ein Span… zwei… ein winziger Druck mit der Messerspitze … ah. Das winzige Rund löste sich aus dem Holz. Es drehte sich!
»Äh … natürlich«, sagte er, als ihm verspätet klar wurde, dass sie ihn etwas gefragt hatte. »Warum nicht?«
Sie brach in Gelächter aus.
»Du hast nicht ein Wort von dem gehört, was ich gesagt habe, oder?«
»Doch, natürlich«, protestierte er. »Du hast ›Gräben‹ gesagt. Und ›Wasser‹. Daran kann ich mich genau erinnern.«
Sie schnaubte erneut, wenn auch diesmal nachsichtig.
»Nun, du müsstest es sowieso machen.«
»Was denn?« Sein Daumen tastete nach dem kleinen Rad und versetzte es in Bewegung.
»Pokern. Niemand wird mich um Einsatz Karten spielen lassen.«
»Gott sei Dank«,
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