Ein Hauch von Schnee und Asche
dann setzten sich Lizzie und Ian zum Haus in Bewegung. Lizzie winkte Bobby beiläufig
mit der Hand – und sah sich kurz nach ihm um. Bobby blieb noch einen Moment stehen und schaute ihr nach, dann schüttelte er den Kopf und hielt auf den Cidre zu.
Der Cidre forderte jetzt seinen Tribut. Ich hatte damit gerechnet, dass sämtliche Männer auf dem Hof bei Anbruch der Nacht am Boden liegen würden; während der Heuernte schliefen die Männer oft vor Erschöpfung über ihren Tellern ein. Es wurde zwar noch viel geredet und gelacht, doch das sanfte Zwielicht, das den Hof zu erfüllen begann, beleuchtete eine zunehmende Anzahl im Gras hingestreckter Körper.
Rollo kaute zufrieden an den Knochen, die Ian liegen gelassen hatte. Brianna saß ein kleines Stück weiter; Roger lag mit dem Kopf in ihrem Schoß und schlief tief und fest. Sein Hemdkragen war offen, und die gezackte Stricknarbe an seinem Hals war deutlich zu sehen. Brianna lächelte mir zu, und ihre Hand strich ihm sanft über das glänzende, schwarze Haar und pickte die Heureste heraus. Jemmy war nirgendwo in Sicht – Germain auch nicht, wie ich feststellte, als ich mich kurz umsah. Zum Glück befand sich der Phosphor ganz oben in meinem höchsten Schrank hinter Schloss und Riegel.
Jamie lehnte ebenfalls den Kopf an meinen Oberschenkel. Er war warm und schwer, und ich legte meine Hand auf sein Haar und erwiderte Briannas Lächeln. Ich hörte ihn kurz prusten und folgte seiner Blickrichtung.
»Für so ein schmächtiges Mädchen verursacht Lizzie aber eine Menge Ärger«, sagte er.
Bobby Higgins stand an einem der Tische und trank Cidre. Ganz offensichtlich war ihm nicht bewusst, dass sich die Beardsley-Zwillinge an ihn heranpirschten. Die beiden schlichen wie die Füchse durch den Wald, beinahe unsichtbar, und näherten sich ihm aus entgegengesetzten Richtungen.
Einer von ihnen – Jo wahrscheinlich – trat plötzlich an Bobbys Seite und jagte ihm einen solchen Schrecken ein, dass er sein Getränk verschüttete. Er wischte stirnrunzelnd über den nassen Fleck auf seinem Hemd, während sich Jo zu ihm hinüberbeugte und ihm offensichtlich Drohungen und Warnungen zuflüsterte. Bobby setzte eine beleidigte Miene auf und wandte sich von ihm ab, nur um sich auf der anderen Seite Kezzie gegenüberzusehen.
»Ich bin mir nicht sicher, dass Lizzie dahintersteckt«, sagte ich zu ihrer Verteidigung. »Sie hat sich schließlich nur mit ihm unterhalten.« Bobbys Gesicht lief merklich rot an. Er stellte den Becher hin, aus dem er getrunken hatte, und richtete sich noch weiter auf. Seine Hand ballte sich zur Faust.
Die Beardsleys rückten ihm noch dichter auf den Pelz, offensichtlich in der Absicht, ihn in den Wald zu drängen. Er blickte argwöhnisch von einem der Zwillinge zum anderen und trat einen Schritt zurück, so dass er jetzt einen stabilen Baum im Rücken hatte.
Ich blickte zu Boden; Jamie beobachtete die Szene mit halb geschlossenen
Lidern und einer Miene, aus der verträumte Geistesabwesenheit sprach. Er seufzte tief, schloss die Augen ganz, und erschlaffte plötzlich ganz. Er lehnte schwer an mir.
Der Grund für seine plötzliche Fahnenflucht tauchte eine Sekunde später vor mir auf: Major MacDonald; sein Gesicht war rot angelaufen vom Essen und vom Cidre, und sein roter Uniformrock glühte im Licht des Sonnenuntergangs. Er spähte zu Jamie hinunter, der friedlich an meinem Bein schlummerte, und schüttelte den Kopf. Dann drehte er sich langsam um und überblickte die Szene.
»Grundgütiger«, sagte er nachsichtig. »Ich sage Euch, Ma’am, ich habe schon Schlachtfelder mit weniger Opfern gesehen.«
»Ach ja?« Sein Auftauchen hatte mich abgelenkt, doch bei der Erwähnung von Opfern blickte ich zurück. Bobby und die Beardsley-Zwillinge waren verschwunden, aufgelöst wie Nebelschwaden in der Dämmerung. Nun, wenn sie sich gegenseitig im Wald zu Brei schlugen, würde ich sicher bald davon hören.
Mit einem kleinen Achselzucken bückte sich MacDonald, fasste Jamie an den Schultern, hob ihn von mir herunter und legte ihn überraschend sanft ins Gras.
»Darf ich?«, fragte er höflich, und als ich zustimmend nickte, setzte er sich auf der anderen Seite neben mich und schlang die Arme zwanglos um seine Knie.
Er war wie üblich ordentlich gekleidet, inklusive Perücke, doch sein Hemdkragen war schmutzig, und seine Rockschöße waren am Saum ausgefranst und mit Schlamm bespritzt.
»Seid Ihr in letzter Zeit viel unterwegs gewesen, Major?«, fragte ich, um
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