Ein Hauch von Seide - Roman
zählte.
Zuerst war alles gut. Josh war früh gekommen und wartete auf sie, umarmte sie voller Zuneigung und hielt sie dann auf Armeslänge von sich, um ihr neues Outfit zu bewundern, ein schlichtes, anilingelbes Futteralkleid, verziert mit einer einzigen großen, wunderbar detailliert ausgeführten bunten Seidenblume.
»Ein Entwurf von Janey?«, fragte er.
»Nein, von Ossie Clark«, gestand Rose ein wenig schuldbewusst. »Ich war neulich in seinem Atelier, und da habe ich dieses Kleid gesehen und konnte nicht widerstehen.«
»Wunderbar.« Josh lachte. »Ich bin immer dafür, Versuchungen nicht zu widerstehen. Apropos …«
Er musste sich mitten im Satz unterbrechen, denn sie wurden an ihren Tisch geführt und konnten ihr Gespräch erst wieder aufnehmen, als sie sich aus der Speisekarte etwas ausgesucht und einen Wein bestellt hatten.
Josh mochte die Haare etwas länger tragen, doch im Wesentlichen sah er immer noch so aus wie damals, als Rose ihn kennengelernt hatte. Er bevorzugte immer noch maßgeschneiderte Anzüge, statt sich wie ein Pfau zu kleiden, wie es jetzt bei Rockmusikern und ihren Fans üblich war, auch wenn seine Hemden taillierter geschnitten und aus Blumenstoffen genäht waren.
Als er ihr eine Zigarette anbot, nahm sie sie, allein um des Vergnügens willen, dass er sich vorbeugte, um sie ihr anzuzünden.
»Keine Sorge, es ist eine einfache Benson & Hedges«, erklärte er mit einem neckischen Grinsen, doch Rose lachte nicht.
Ihre Urgroßmutter, Blanche, hatte ihr in schonungslosen Einzelheiten beschrieben, wie tief Roses Vater gesunken war, bevor er starb – er war sowohl alkohol- als auch drogenabhängig gewesen. Rose zog nicht einmal an einer Marihuana-Zigarette, die herumgereicht wurde, auch wenn ihr das so manchen verächtlichen Spott eintrug.
Ihre Kunden waren hauptsächlich die Idole der Mode- und Popwelt der Sechziger und deren Anhänger, und die meisten von ihnen rauchten zumindest Dope, und ein großer Teil prahlte jetzt damit, LSD-süchtig zu sein. Josh war der Einzige, den Rose aus der King’s-Road-Meute kannte, der keine Drogen anrührte.
»Ich glaube, in einigen Gegenden von Chelsea kann man heutzutage keine Türklinke anfassen, ohne Angst haben zu müssen, jemand hat sie mit LSD versetzt«, meinte sie kläglich.
»Das ist mir auch zu Ohren gekommen«, sagte Josh. »Neulich war ein junges Mannequin bei mir, die mir erzählte, sie hätte einen Drei-Tage-Trip gehabt und hätte sich gefühlt, als würde sie zum Mond fliegen und auf die Erde herabschauen.« Er schüttelte den Kopf. »Wenn man im East End aufgewachsen ist und an seiner Gesundheit hängt, lässt man die Finger von Zeug, das im Kopf Kapriolen schlägt. Ich habe die kaputten Typen gesehen, die in der Gosse enden.«
Ihr erster Gang war serviert worden – Avocado, die sie beide liebten –, doch Rose fiel auf, dass Josh sie kaum anrührte. Ja, wenn sie es recht bedachte, wirkte er ziemlich nervös, und sie fragte sich, warum.
»Ich habe eine tolle Neuigkeit.«
»Du eröffnest noch einen Salon?«, riet Rose, doch er schüttelte den Kopf.
»Nein, viel besser. Ich habe Patsy gebeten, meine Frau zu werden, und sie hat ja gesagt.«
In Rose tat sich eine entsetzliche Leere auf, als hätte der Schock sämtliche Empfindungsfähigkeit aus ihr herausgesaugt. Sie hätte ahnen müssen, dass es so weit kommen würde, und wenn nicht, dann war es ihre eigene Schuld, weil sie vor dem, was unvermeidlich war, seit Josh ihr zum ersten Mal von seiner neuen Freundin vorgeschwärmt hatte, wie ein Vogel Strauß den Kopf in den Sand gesteckt hatte.
Die Leere füllte sich rasch mit intensivem, schier unerträglichem Schmerz.
»Na, gratuliere.« Die Worte wollten nur schwer über ihre starren Lippen. Klang ihre Stimme so gezwungen, wie sich ihr Lächeln anfühlte? Was spielte es für eine Rolle? In seiner freudigen Erregung würde Josh es wohl kaum bemerken. Er strahlte von einem Ohr zum anderen und war so glücklich, dass Rose sich am liebsten in eine Ecke verkrochen und ihrem Elend hingegeben hätte. Da war er wieder, ihr alter Feind – Selbstmitleid.
Natürlich hatte er sich in die große, blonde Patsy verliebt, sie war einfach sein Typ, und Rose war eine Närrin, dass sie sich eingebildet hatte, eines Tages würde er vielleicht sie mit dieser vernarrten Anbetung in den Augen ansehen, die jetzt darin funkelte.
»Ich hätte es dir schon früher erzählt, aber es ging alles so schnell. Erst als sie sagte, sie würde vielleicht
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