Ein Hauch von Seide - Roman
ärgerte. Cindy verstand sie manchmal einfach nicht. Janey seufzte. Sie musste wirklich noch viel über die Geschäftswelt lernen. Zum Glück hatte sie Cindy.
42
Emeralds Absätze klapperten aufgebracht über das Pflaster. Es war inzwischen eine Woche her, seit Max sie einfach sitzen gelassen hatte, und er hatte sich noch nicht gemeldet, um sich bei ihr zu entschuldigen.
Sie hoffte nur, dass er angerufen hatte, während sie unterwegs gewesen war. Inzwischen musste er einfach über seine schlechte Laune hinweggekommen sein, und natürlich wollte er sich wieder mit ihr versöhnen. Der Gedanke, auf welche Weise er dies wohl versuchen würde, erregte sie, und sie beschleunigte ihre Schritte.
Die Zugehfrau, die Emerald bestochen hatte, damit sie dablieb, während Emerald ausging, erwartete sie schon im Mantel. Sie beschwerte sich, ihr Mann wolle seinen Tee, und Emerald habe gesagt, sie wäre um drei wieder da, und jetzt wäre es schon halb vier durch.
»Hat jemand angerufen?«, fragte Emerald, ohne auf ihre Beschwerden einzugehen.
»O ja.«
Emerald entspannte sich, und auf die nachlassende Spannung folgte eine Welle des Triumphes. Sie hatte die ganze Zeit gewusst, dass Max anrufen würde. Wie konnte er ihr widerstehen?
»Ihre Mutter. Ihre Ladyschaft wollte wissen, ob der kleine Robbie schon alle seine Impfungen bekommen hat.«
»Sind Sie sicher, dass das der einzige Anruf war?«, wollte Emerald wissen. »Sie haben doch nicht das Haus verlassen, obwohl ich Sie gebeten habe hierzubleiben?«
Mrs Wright richtete sich zu ihrer ganzen Körpergröße auf und erklärte Emerald beleidigt: »Nein, das habe ich nicht, und sonst hat niemand angerufen«, bevor sie mit hocherhobenem Haupt an Emerald vorbeimarschierte.
Meine Mutter weiß ja nicht, wie glücklich sie sich schätzen kann, loyales, hart arbeitendes Personal zu haben, dachte Emerald zornig, nachdem sie die Tür hinter ihrer Zugehfrau geschlossen hatte. Mrs Wright war ihre dritte Zugehfrau in drei Jahren, während der Laden in der Walton Street und das Haus am Cheyne Walk von derselben Putzfrau für ihre Mutter sauber gehalten wurden, solange Emerald denken konnte.
Max hatte also nicht angerufen. Nun, das hieß nichts anderes, als dass er seine Launen hatte. Am Abend würde er auf jeden Fall bei Annabel’s sein. Schließlich war es Jeannie de la Salles ’ Geburtstag, und sie hatten die Einladung angenommen, in einem kleinen Kreis guter Freunde mit ihr und ihrem Gemahl zu dinieren. Emerald wollte dafür sorgen, dass Max sie, wenn er sie sah, so begehrte, dass er sein Benehmen bedauerte. Also, was sollte sie anziehen? Es musste etwas ganz Besonderes sein …
Janey versuchte, sich auf das Schnittmuster für einen neuen Entwurf zu konzentrieren, doch das wollte ihr einfach nicht gelingen. Sie hatte Charlie seit Tagen nicht gesehen, und sie vermisste ihn. Sie hatte versucht, ihn auf dem Apparat, den er sich mit den anderen Mietern des Hauses, in dem er sein möbliertes Zimmer hatte, teilte, anzurufen und ihm wenigstens eine Nachricht zu hinterlassen, doch es war niemand rangegangen.
Cindy gegenüber hatte sie erwähnt, dass sie ihn gern gesehen hätte, doch diesmal war Cindy nicht so mitfühlend gewesen, wie Janey erwartet hatte, sondern hatte ihr in recht scharfem Tonfall erklärt, sie könne von Charlie doch nicht erwarten, dass er in seinem möblierten Zimmer herumhockte und auf Janeys Anruf wartete, schließlich müsse er sich um seine Karriere kümmern.
Als ihr dieses Gespräch wieder einfiel, legte Janey die Kreide weg, mit der sie das Schnittmuster auf den Stoff übertragen hatte. Sie hockte inmitten einer bunten Auswahl an Stoffen auf dem Boden ihres Schlafzimmers. Die ersten groben Ideen für ihre Entwürfe entwickelte sie gern so, schnitt die Schnittmuster aus wie früher für die Kleider ihrer Puppen und nähte sie dann auf der kleinen Singer-Nähmaschine mit Handkurbel zusammen, die sie zum dreizehnten Geburtstag geschenkt bekommen hatte. Normalerweise war dieses erste Stadium neuer Entwürfe dasjenige, das sie am meisten genoss – zu sehen, wie der Stoff unter ihren Händen Gestalt annahm, bis er ein Eigenleben bekam und sie mit seinen vielfältigen Möglichkeiten stimulierte und entzückte. Doch im Augenblick war sie mit dem Herzen nicht recht dabei, sie sehnte sich zu sehr nach Charlie.
Emerald hatte ihre Ankunft im Annabel’s absichtlich so geplant, dass Max reichlich Zeit hatte, sich Sorgen zu machen, ob sie überhaupt kam. Sie trug ein
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