Ein Hauch von Seide - Roman
einen Schatten auf die olivfarbene Haut seines Gesichts, sein Haar war dick und dunkel wie ihres, obwohl es mit seinen natürlichen Wellen über der Stirn und den Löckchen über dem Hemdkragen eine ganz andere Struktur hatte. Er sah unleugbar gut aus und war wahrscheinlich sehr sexy, doch vor allem besaß er eine Freundlichkeit, die sie ebenso entwaffnend und anziehend fand wie seinen natürlichen Überschwang.
Er beugte den Kopf zu ihrem Ohr. »Möchten Sie wissen, was ich mache?«
Rose wollte den Kopf schütteln, doch er sagte, ohne ihre Antwort abzuwarten: »Ich bin Friseur.«
Das überraschte sie.
»Deswegen brauche ich eine Innenausstatterin«, fuhr Josh fort. »Ich mache mich selbstständig, und ich habe einen Salon gefunden, aber er müsste ein bisschen aufgeputzt werden, und ich schätze, Sie sind dafür genau die Richtige.« Er grinste sie an.
Josh wusste, dass von Amerika über den Atlantik eine neue Stimmung herüberkam, die die britische Jugend mitriss und für die neue Kultur begeisterte. Rock ’n’ Roll war angekommen, eine ganz neue Art von Musik, die nur der Jugend gehörte. Sie brachte es mit sich, dass die Jugend ihr Aussehen veränderte und verrückt spielte, um sich von der Generation ihrer Eltern zu unterscheiden. Neue Frisuren waren Teil dieser Kultur, und Josh hatte vor, auf dem Kamm der neuen Welle zu reiten, indem er seinen eigenen Salon eröffnete. Er würde sich einen Namen machen und ein Vermögen verdienen.
»Ich kann Ihnen nichts zahlen«, fuhr er fort, »aber ich schneide Ihnen umsonst die Haare, und es wird die beste Frisur, die Sie je hatten.«
Von seinem Selbstvertrauen, seiner Lebendigkeit und seiner Energie überrumpelt, konnte Rose nicht anders als lächeln. Er betrachtete ihr Haar, und Rose hob automatisch schützend die Hand an ihren Chignon.
»Ich will meine Haare nicht geschnitten haben.«
Sie war einmalig, kein Zweifel, fand Josh, amüsiert über ihre Abwehrhaltung. Normalerweise rissen sich die Mädchen um seine Aufmerksamkeit, selbst wenn einige ihr Interesse hinter Hochnäsigkeit tarnten. Doch sie war anders, mit ihren ernsten dunklen Augen und ihrem vorsichtigen Betragen, als hätte sie Angst, das Falsche zu tun oder zu sagen. Josh hatte ein großes und sehr warmes Herz. Er war im East End aufgewachsen, in einer Gemeinschaft, wo man sich umeinander kümmerte und sich gegenseitig beschützte. Und Rose weckte seinen Beschützerinstinkt. Sie sah aus, als würde sie sich am liebsten in Luft auflösen, doch er wollte sie nicht gehen lassen.
»Gut, dann schneide ich sie nicht, aber ich möchte trotzdem, dass Sie sich für mich um den Salon kümmern.«
»Aber wie können Sie das sagen? Sie wissen doch gar nichts über mich.«
»Das haben wir gleich. Kommen Sie, ich fange an und erzähle Ihnen meine Lebensgeschichte, und dann können Sie mir Ihre erzählen.«
Er war einfach nicht zu bremsen.
»Mein Vater wollte, dass ich wie er Schneider werde, und selbst jetzt findet er noch, dass Haareschneiden kein Beruf für einen Mann ist, obwohl ich ihm gesagt habe, dass er für meine Berufswahl verantwortlich ist. Er hat mir einen Samstagsjob bei einem Friseur in der Nähe seiner Arbeit besorgt, da musste ich die Haare zusammenkehren. Und mein Vater hat mir beigebracht, wie man mit einer Schere umgeht, selbst wenn es um Stoff ging und nicht um Haare. Als ich ihm erzählt habe, dass ich in die Lehre gehen wollte, um ein richtiger Friseur zu werden, hat er sogar eine Weile nicht mit mir geredet. Lieber wollte er mich enterben. Aber am Ende hat meine Mutter ihn überredet, und sobald er Charlie, den Besitzer des Salons, wo ich lernen wollte, kennengelernt und gemerkt hatte, dass er nicht schwul war, hat er sich ein bisschen beruhigt.«
Josh würde Rose nicht erzählen, dass Charlie zügellos war wie ein Widder, der über alles drüberstieg, was weiblich war und sich bewegte, einschließlich der meisten weiblichen Angestellten sowie seiner jüngeren, hübscheren Kundinnen. Doch die Tatsache, dass er ein schickes Auto fuhr und in einem eleganten Anzug durch den Salon stolzierte, um für eine Verabredung am Samstagabend die süßen Vögelchen in Augenschein zu nehmen, hatte nicht unwesentlich dazu beigetragen, dass Josh zu dem Schluss gekommen war, dieser Beruf könnte ihm auch gefallen.
Rose war eine Klasse besser als die Mädchen, die er kannte, das sah Josh auf den ersten Blick. Nicht weil sie vornehm redete – das konnte Josh nicht beeindrucken –, sondern weil
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