Ein Hauch von Seide - Roman
wusste, dass der Anwalt der Familie verzweifelt bemüht war, Kontakt zu dem potenziellen Erben herzustellen.
»Ich wette, Ihre Stiefmutter ist nicht allzu begeistert, dass irgendeinem Fremden zufallen soll, was eigentlich ihrem Sohn gebührt hätte«, meinte Dougie und versuchte, sich wegen seiner Täuschung nicht zu große Gewissensbisse zu machen.
»Nein, ganz und gar nicht«, verteidigte Ella ihre Stiefmutter vehement. »So ist Mama einfach nicht. Im Gegenteil, sie wünscht sich verzweifelt, dass ein Erbe gefunden wird, denn sonst stirbt der Titel aus und das Gut wird aufgeteilt, und sie sagt, das habe Lord Robert gewiss nicht gewollt. Es war schrecklich, dass Lord Robert und Luc bei einem Autounfall umgekommen sind.«
»Sie haben sie gekannt?«
»Ja. Sie sind öfter zu Mamas Großmutter zu Besuch gekommen. Mein Vater war deren Gutsverwalter. Ich war natürlich noch klein, aber ich erinnere mich gut an sie. Mama hat das Gefühl, erst wenn der Herzogstitel an den neuen Erben übergegangen ist, könne Lord Robert endlich Frieden finden.«
»Sie glauben also, dass dieser Erbe, wer auch immer er ist, der Herzogin willkommen sein wird?«
»Da bin ich mir ganz sicher«, bestätigte Ella und fügte hinzu: »Ich bin mir allerdings nicht so sicher, ob Emerald ihn willkommen heißen wird. Sie möchte ihren Debütantinnenball in dem Haus am Eaton Square halten, das eigentlich dem Herzog gehört. Mama will das nicht, aber Emerald setzt immer ihren Kopf durch.«
»Das Gut ist doch sicher ziemlich heruntergekommen, wo es keinen Erben gibt?«, wagte Dougie sich weiter vor.
»O nein«, entgegnete Ella energisch. »Mama ist Treuhänderin, zusammen mit Mr Melrose, dem Anwalt der Familie. Obwohl Osterby – das ist das Herrenhaus auf dem Land – nicht genutzt wird, ist doch Personal da, um alles in Ordnung zu halten, und um das Gut kümmert sich ein Gutsverwalter.«
»Himmel, das kostet sicher das eine oder andere Pfund«, bemerkte Dougie.
»Also, das Geld kommt aus dem Gut selbst. Der Herzog war sehr reich, und Mama sagt, es müsse alles in Ordnung gehalten werden, solange auch nur die geringste Hoffnung besteht, den Erben zu finden.«
»Emerald wird ganz schön brüskiert sein, wenn der Erbe auftaucht, und sie bekommt nichts?«
»Das Gut hätte Emerald sowieso nicht bekommen – es ist ein Erbgut –, und abgesehen davon hat ihr Vater für sie einen sehr großzügigen Treuhandfonds eingerichtet.«
»Dann ist sie also eine reiche Erbin?«
»Das wird sie, nehme ich an, eines Tages sein.«
»Und das macht Ihnen nichts aus?«
»Nein. Nicht das Geringste.«
Ella mochte Verständnis dafür haben, dass Australier es nicht besser wussten und Fragen stellten, die eigentlich tabu waren, doch sie würde Dougie nicht darüber informieren, dass ihre Stiefmutter eigenes Vermögen besaß und sie es nicht nötig hatten, neidisch auf Emerald zu sein.
Ella wusste, dass sie gar nicht so viel hätte preisgeben sollen, doch über Emerald zu reden half ihr, sich von ihrer Angst um Janey abzulenken, die immer noch in der Ecke am Knutschen war. Als Ella jetzt rüberschaute, konnte sie sehen, dass die Hand des ungepflegten Kerls unter Janeys Pullover verschwunden war. Schockiert öffnete sie den Mund, und der leise Aufschrei, der ihr entfuhr, ließ Dougie in dieselbe Richtung schauen.
»Sieht aus, als würde jemand die Party in vollen Zügen genießen«, meinte er kichernd und bot Ella noch eine Zigarette an.
»Es tut mir leid. Bitte entschuldigen Sie mich.«
Ella war ziemlich nervös. Ihre entschlossene Miene und ihr blasses Gesicht verrieten, wie alarmiert sie über das Betragen ihrer Schwester war, und Dougie war nicht besonders überrascht, dass sie den Wunsch hatte, einzuschreiten.
Wie schrecklich von ihr, so grob zu sein, doch sie musste der Sache Einhalt gebieten, tröstete Ella sich, als sie zu ihrer Schwester eilte. Entschlossen blieb sie vor Janey stehen.
»Wir müssen gehen, Janey.«
Janey, die alle Mühe gehabt hatte, Larrys Hand daran zu hindern, noch intimere Regionen ihres Körpers zu erkunden, begrüßte die Störung ihrer Schwester mit Erleichterung – nicht dass sie das Ella je sagen würde – und machte sich aus seiner Umarmung frei.
»Wo ist Rose?«, fragte sie.
Das wusste Ella nicht, doch das konnte sie kaum sagen, wenn sie nicht wollte, dass Janey ihr vorwarf, sie tue nur so, als wollte sie gehen. Das Letzte, was sie wollte, war ein Streit mit Janey, der nur darin enden würde, dass ihre impulsive
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